Freitag, 19. Februar 2016

Das Strategieparadox

In einem Interview mit einer Professorin für Strategie und Organisation sind sich die fragende Journalistin und die Expertin darüber einig, dass die meisten Manager über Strategiepläne für die nächsten zehn Jahre "eigentlich nur noch lachen können." Die Professorin bestätigt, dass heute schon manchmal über einen Ein-Jahres-Plan gelächelt würde, der "Trend gehe hin zur Echtzeitstrategie".
Ein wunderbarer Begriff - Wörter können zuweilen entlarvend sein. Sollte Strategie nicht immer auf Echtzeit bezogen sein? Auch wenn diese in der Zukunft liegt.
Wenn es nun eine spezielle Echtzeitstrategie geben muss, dann könnte das bedeuten, dass bisherige Strategien eher fiktiv waren, eine Art unternehmerische Science Fiction. In der Tat wurden viele Strategien auch so behandelt. Mit viel Aufwand und unendlichem Zahlenmaterial in endlosen Meetings erstellt, um dann mit Trommelwirbel in einem internationalen Management-Meeting vorgestellt zu werden. Kaum waren die letzten Abteilungen über die neue Strategie informiert, die Präsentation irgendwo abgelagert, tauchte schon die erste Revision am Horizont auf. Echtzeitstrategie meint nun, hier erwähnt die Professorin das Beispiel Amazon, dass die Strategie kontinuierlich auf der Bais von aktuellen Daten - echten Daten - angepasst wird. Was hat das dann noch mit langfristiger Strategie zu tun, mag sich mancher fragen. Wie sieht dann die urspünglich verfasste Strategie nach einem halben Jahr aus? Soll strategisches Handeln durch operative Hektik ersetzt werden? Wobei in letzterem viele Unternehmen große Erfahrung haben.
Doch operative Hektik entsteht gerade dann, wenn die längerfristige Orientierung fehlt. Ein Automobilhersteller kann nicht im Monatsrhythmus seine Modellpolitik ändern. Er muss sehr wohl eine Vorstellung davon entwickeln, wie die zukünftige Entwicklung im Automobilbau aussieht und wie er sich dazu stellen will. Das gilt ebenso für viele andere Branchen. Strategie muss also sein. Man muss ihre Bedeutung allerdings wieder so sehen, wie sie eigentlich ist. Als Leitplanke, die die Richtung und die Breite der Fahrbahn bestimmt. Je schneller das Umfeld sich verändert, je unschärfer der Blick in die Zukunft wird, desto weiter müssen die Leitplanken auseinander sein, aber desto notwendiger muss es sie auch geben. Die Kunst besteht darin, innerhalb dieses Rahmens richtige Ad-hoc-Entscheidungen zu treffen. Und auch die Fähigkeit und das Verständnis dafür eine Entscheidung zu korrigieren, wenn sie sich denn als nicht richtig erweist. So wird Strategie in Echtzeit umgesetzt.
Die Herausforderung für die Personalentwicklung besteht darin die Beschäftigten und besonders die Führungskräfte darin zu befähigen und zu unterstützen.
Strategie kann nicht mehr als Grundlage dafür dienen detaillierte Verkaufszahlen für die nächsten fünf Jahre abzuleiten. Die Mühe wird vergebens sein. Genauso wenig kann sie nicht mehr die Basis für ein Zielvereinbarungssystem mit festen Jahreszielen sein.

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