Endlich ist die Betriebswirtschaftslehre bei einem Kernforschungsthema angekommen: Dummheit in Unternehmen.
Unter anderm darüber forscht jedenfalls Prof. Andrew Spicer an der Cass Business School in London. In einem Interview hat er sich kürzlich über die Bedeutung von Bullshit in Unternehmen geäußert (zit. nach Mannheimer Morgen, 27.5.). Bullshit definiert er als "leeres Gerede, das durch viele beeindruckend klingende Wörter kaschiert wird". Ich setze mich in meinem Posts ja auch immer wieder mit der Phrasendrescherei auseinander die viele Verlautbarungen zur Unternehmensführung auszeichnet. Deswegen freue ich mich in Prof. Spicer mindestens einen Gleichgesinnten gefunden zu haben, für den das Thema offenbar sogar so wichtig ist, dass er sich akademisch damit beschäftigt. Bullshit führe dazu, dass Unternehmen ihre Kernaufgaben vernachlässigen, befürchtet er sogar. Beschäftigte verbringen viel Zeit damit "Geschwurbel" zu verfassen und zu verbreiten, welches dann auch wieder Aufmerksamkeit und Beschäftigung beansprucht und damit Ressourcen bindet, die vielleicht woanders nötiger gebraucht würden. Jedem fallen dazu wuchtige aber inhaltsschwache Powerpointpräsentationen und wortreiche aber folgenlose Meetings ein. Strategieworkshops und Leitlinienformulierungsprozesse und die daraus entstandenen Formulierungen sind oft leuchtende Beispiele dafür. So empfindet auch Spicer Unternehmensstrategien oft als "flüchtig, auswechselbar und realtiv bedeutungslos".
Einige Beispiele für Begriffe gefällig, die gerne genommen werden: Qualität, Service, Kundenorientierung, Wert, Nachhaltigkeit, Excellenz, Innovation, Stakeholder-Value, System, Prozess nebst den dazugehörigen Adjektiven, wobei dann proaktiv nicht fehlen darf.
Für mich immer wieder beeindruckend ist, wie diese Vokabeln in der Organisation dann nachgeplappert werden. Da kommt der Vorstandsvorsitzende aus dem Klausurworkshop mit seinen Vorstandskollegen zurück und hält vor dem Managementkreis eine flammende Rede - Powerpoint animiert unterstützt - zur zukünftigen Ausrichtung des Unternehmens. Sie können davon ausgehen, dass die beteiligten Führungskräfte die verwendeten Signalwörter später bei jeder passenden und unpassenden Gelegenheit in ihren eigenen Präsentationen verwenden, besonders, wenn jemand vom Vorstand zuhört. Eine Diskussion über den Inhalt der Begriffe und ihre Bedeutung in der Unternehmenspraxis, eine Hinterfragen findet nicht statt. Kein Wunder, dass Prof. Spicer dabei auf die Idee kommt über Dummheit in Unternehmen zu forschen. Er kann dem Bullshit allerdings auch eine gute Seite abgewinnen. In Maßen könne er helfen in "peinlichen Situationen das Gesicht zu wahren". Das wiederum bekommen wir regelmäßig in vollendeter Form in Politikerinterviews geboten.
Es ist übrigens rein zufällig, dass dieses Thema unmittelbar nach meinem Post über die 33 Regeln für Digitale Pioniere erscheint.
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