Zu den gepflegten Managementweisheiten gehört, dass die Mitarbeiter besser sein sollen als ihre Chefs. Auch der Vorstandsvorsitzende von Siemens fordert in dem bereits im letzten Post zitierten Interview, dass seine 370.000 Mitarbeiter besser sein sollen als er. "Besser zu sein als der Chef ist keine Schande, für beide nicht." unterstreicht er. Und er hat recht damit. Er fügt allerdings auch etwas Entscheidendes hinzu: "Besser sein, in dem, was sie tun."
Während meiner eigenen Berufstätigkeit war ich unter anderem verantwortlich für den Werksäztlichen Dienst des Unternehmens. Es wäre geradezu fatal gewesen, wenn der Werksarzt in seinem Arbeitsgebiet nicht besser gewesen wäre wie ich. Völlig absurd wäre es sich vorzustellen, der Vorstandsvorsitzende eines Großunternehmens könne alles besser wie seine Mitarbeiter. Also ist diese Weisheit schlicht eine Binsenweisheit. Es ist eine Grundvoraussetzung für das Funktionieren einer Organisation, dass die einzelnen Beschäftigten ihr Arbeitsgebiet besser beherrschen müssen, wie ihre Chefs. Das gilt um so mehr, je höher die Chefs in der Hierarchie angesiedelt sind. Dort kommt es am Ende darauf an, wie Herr Kaeser richtig sagt, ob erfolgreich "Regie geführt und Intergration geschaffen wird."
Aber wird das in Unternehmen immer so durchgehalten? Es ist vielfach belegt, dass immer noch diejenigen bevorzugt befördert werden, die für die besten Fachleute gehalten werden. Bei der vielbeschworenen Führungskompetenz - Regie führen und die individuellen Leistungen integrieren - wird oft nicht so genau hingesschaut. Auch viele Vorgesetzte selbst leben demzufolge noch in dem Glauben sie müssten vieles besser wissen, zumindest wie ihre direkten Mitarbeiter. Umgekehrt hört man auch immer wieder von den Mitarbeitern selbst den Vorwurf: "Der hat doch überhaupt keine Ahnung von dem, was ich hier mache." Das Prinzip des "besseren Mitarbeiters" stellt natürlich auch an diesen Anforderungen, an seine Kompetenz, an seine Selbständigkeit und an sein Verantwortungsgefühl.
Noch ein weiterer Aspekt: Was ist denn, wenn der "Untergebene" tatsächlich Fähigkeiten und Potenziale zeigt, besser zu sein wie sein Chef? Dann zeigt sich die Souveränität der Führungskraft. Er muss nicht gleich seinen Job zur Verfügung stellen. Aber er muss sich den vielleicht besseren Ideen des Mitarbeiters stellen und dafür sorgen, dass sie umgesetzt werden können. Und er muss dafür sorgen, dass der Mitarbeiter gefördert wird und ihn bei Bedarf für eine weiterführende Stelle frei geben.
Das ist das Schicksal der Binsenweisheit: Eben weil sie eine ist, wird sie wenig beachtet.
Darum: Weniger darüber reden sondern umsetzen - aber das ist auch wieder eine Binsenweisheit.
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