Das wird jedenfalls in einem Beitrag in der ZEIT vom 23.1.2014 behauptet. Dort weist ein Herr Kopp daaruf hin, dass es Menschen "mit bloß einigen psychopathischen Eigenschaften" gibt, die als "funktionale Psychopathen" bezeichnet werden. Solche Zeitgenossen könnten beispielsweise sehr gut geeignet sein, um ein Unternehmen in einer Restrukturierungsphase zu führen. Fairerweise sagt er allerdings auch, dass diese wiederum in einer Integrationsphase nach einer Fusion weniger gut geeignet seien.
Ein funktionaler Psychopath - man lasse sich allein schon diesen Begriff auf der Zunge zergehen - ist also jemand, der in bestimmten Situationen "gut funktioniert". Nach Herrn Kopps überraschender Erkenntnis komme es nur darauf an, "dass Führungskräfte, Mitarbeiter, und Unternehmen für möglichst weitgehende Kongruenz zwischen Rolle, Rahmen und Situation sorgen". Nur, Situationen in Organisationen ändern sich kontinuierlich und manchmal sehr schnell. Ich muss also darauf achten, dass ich passend zur Situation die Menschen mit den richtigen psychopathischen Eigenschaften verfügbar habe.
Genug der Polemik. Wann fängt denn überhaupt ein Verhalten an "psychopathisch" auffällig zu werden? In einem Interview in brand eins online vom 4.11.2013 sagt der Psychiater Fritz B. Simon zu Normalität: "Es gibt nur die Definition, was eine Gesellschaft zu einem bestimmten Zeitpunkt als normal erachtet." Wer "anders" denkt oder handelt gilt als nicht normal. Selbst die offizielle Liste psychischer Erkrankungen hält beispielsweise länger anhaltende Trauerphasen schon für behandlungsbedürftig.
Allein die Schwierigkeit der begrifflichen Präzisierung macht die Untauglichkeit der Bezeichnung "funktionaler Psychopath" im Zusammenhang mit Personalführung deutlich. Weitaus problematischer ist allerdings, dass damit Verhaltensweisen erklärt und entschuldigt, ja sogar gerechtfertigt werden, die im Rahmen einer wertschätzenden Führung nicht vertretbar sind. So schreibt Herr Kopp, dass besonders Mitarbeiter, die überweigend auf der Beziehungsebene kommunizieren, besondere Probleme mit funktionalen Psychopathen haben, da diese auf der Sachebene kommunizieren. Ihnen rät er: "Mitabeiter, die unter Psychopathen leiden, können und sollten ihr Bild von der Führungskraft in einen neuen Rahmen setzen. Denn ihr Leid entsteht durch ihre Wahrnehmung auf der Beziehungsebene." Das reizt dann doch wieder zur Polemik. Auch der führende Funktional-Psychopath wird erträglich - der Mitarbeiter muss nur seine Wahrnehmung von ihm ändern.
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