Während meiner Tätigkeit als Personalleiter hat mich eines Tages mittags in der Kantine ein Mitarbeiter angesprochen und mit sorgenvoller Miene gefragt: "Sie schauen mich immer so an. Haben Sie was mit mir vor?" Ich kannte den Mitarbeiter noch nicht einmal näher und konnte ihm guten Gewissens seine Frage verneinen und ihn beruhigen. (Anschließend habe ich mich natürlich gefragt, mit welchem Gesicht ich rumlaufe, dass ein Mitarbeiter so etwas fragt.) Aber er hat sich wenigstens ein Herz gefaßt und mich angesprochen. Möglicherweise ist es ihnen auch schon einmal so gegangen, dass sie sich gefragt haben: Verhält der Chef sich komisch mir gegenüber? An meinen Geburtstag hat er nicht gedacht. Weicht er mir aus? Oder: Was ist mit dem Kollegen los? Früher war er immer so freundlich, jetzt ist er auf einmal reserviert? Der Vorstand grüßt den Müller immer viel freundlicher wie mich. Bin ich ihm negativ aufgefallen? Und dann geht die Grübelei los, begleitet von negativen Gefühlen.
Auch das kann eine Quelle von Stress sein. Besonders dann, wenn man sich sehr abhängig von der Meinung anderer macht und bestrebt ist, möglichst beliebt bei allen zu sein. Natürlich sollte man darauf achten, als Beschäftigter bei seinen Vorgesetzten einen guten Eindruck zu machen. In erster Linie aber ist es doch wichtig ordentliche Arbeit abzuliefern. Wenn der gute Eindruck in der Hierarchie eine größere Bedeutung gewinnt wie die Ergebnisse der Arbeit, dann stimmt etwas nicht. Wenn sie also in diesem Punkt mit sich im Reinen sind, wenn sie sich sicher sein können, dass ihre Arbeit in Ordnung ist, dann braucht es keinen ängstlichen Blick auf die Reaktionen und Verhaltensweisen des Chefs. Auch der hat einmal einen schlechten Tag und kann seine Aufmerksamkeit nicht immer penibel auf alle seine Mitarbeiter gleichermaßen verteilen. Halten sie sich an Tatsachen und Fakten. Wenn sie tatsächlich einmal etwas verbockt haben, dann muss man dem Vorgesetzten auch zugestehen, dass er möglicherweise vergrämt reagiert.
Wenn man begründet den Eindruck hat, man wird schlechter behandelt wie andere, egal ob vom Chef oder den Kollegen, und man kann auch bei selbstkritischer Gewissenserforschung keinen Grund sehen, dann sollte man bei einer passenden Gelegenheit das Gespräch suchen und fragen, ob der Eindruck berechtigt ist und wenn ja, warum. Das muss ja nicht gerade im Vorbeigehen in der Kantine sein.
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