Vor einigen Tagen in einem kleineren Gesprächskreis. Eine Teilnehmerin schilderte, wie ihre Chefin ständig rumläuft und darüber jammert, dass sie so viel zu tun hat. Man merkt ihr die Überlastung auch äußerlich an und die Mitarbeiter haben den Eindruck, dass sie ihre Aufgabe nicht bewältigt. Ein anderer Teilnehmer, jüngere Führungskraft, kritisierte dieses Verahlten scharf und setzte entgegen, dass eine Führungskraft in keinem Fall eine Belastung gegenüber den Mitarbeitern zeigen oder zum Ausdruck bringen darf. Beides sind keine konstruierten Beispiele sondern gelebte Praxis.
Welche Haltung ist richtig oder empfehlenswert? Nach meiner Meinung keine von beiden. Im ersten Fall dürfte ich noch verhältnismäßig viel Zustimmung bekommen. Offensichtlich ist diese Führungskraft tatsächlich überfordert. Es geht nicht, dass man als Vorgesetzter seine Mitarbeiter mit ständigem Jammern über das eigene Maß der Beschäftigung nervt. Als Vorgesetzter ist man immer auch Vorbild - mehr als es manchem Chef bewußt ist. Als solches sollte man mit gutem Beispiel vorangehen. Also zeigen, dass man und wie man mit Belastung umgeht. Darum lehne ich auch die zweite Haltung ab. Die Meinung, ich darf gegenüber meinen Mitarbeitern die eigene Belastung nicht zeigen, ist nach meiner Erfahrung noch relativ weit verbreitet. Sie geht oft einher mit der traditionellen Auffassung von Führung, dass der Chef auch alles besser weiß und besser kann.
Die beiden beschriebenen Haltungen sind die äußeren Pole eines Verhaltensspektrums, das zwischendrin die verschiedensten Alternativen zeigen kann. Warum soll der Vorgesetzte nicht auch offen sagen können, dass er im Moment selbst stark belastet ist? Ergänzen könnte er das mit einer Information über das, was er im Moment gerade alles auf dem Schreibtisch hat. Gegebenenfalls auch verbunden mit der Bitte um Verständnis,
dass er sich deshalb nicht so den Mitarbeitern widmen kann, wie sie das vielleicht erwarten. Das ist ehrlich und zeigt Souveränität (s. mein Post dazu) und es wird von den Mitarbeitern respektiert. Es zeigt den Chef auch als Menschen und nicht als eisernen Kanzler. Meist sind die Mitarbeiter in solchen Situationen ja auch strark belastet und wollen mit ihrem Chef darüber reden können. Da ist es verkehrt in gemeinsames Jammern einzustimmen aber auch verkehrt den Mitarbeitern zu zeigen "Stellt Euch nicht so an - schaut mich an!".
Genauso verkehrt ist es aber auch falschen Trost zu spenden "Wir haben es ja bald geschafft - Es wird nicht so schlimm - Bald wird es besser". Wenn viel zu tun ist, soll man das auch sagen und die Mitarbeiter rechtzeitig darauf vorbereiten. Ein Vorgesetzter, der sagt "Ich kann die Arbeit aktuell nicht reduzieren aber laßt uns gemeinsam überlegen, was wir vielleicht besser machen können", kommt besser an als wenn er baldige Besserung verspricht, die dann doch nicht eintritt. Was auch gar nicht geht aber oft gemacht wird:
Die die am meisten jammern, bekommen Entlastung oder eine Prämie und die Stillen bekommen noch mehr aufgebürdet.
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