Der Leiter einer Entgeltabrechnung wird aufgefordert, seine Kosten mit Benchmarks anderer Firmen zu vergleichen. Der Vorstand will wissen, was kostet bei uns eine Abrechnung und was kostet sie bei anderen. Sind wir zu teuer? Wobei automatisch asoziiert wird, dass höhere Kosten im Vergleich zu anderen auch gleichzeitig "teuer" bedeutet. Der Abrechnungsleiter, der diese Übung nicht zum ersten Mal macht, hat natürlich sofort seine Gegenargumente parat. Aus vergangenen Aktionen weiß er, dass 1:1-Vergleiche kaum realisierbar sind, weil jedes Unternehmen seine Besonderheiten hat. Die Anforderungen, die er erfüllen muß auf Grund von komplizierten Arbeitszeit- und Entgeltregelungen aus unterschiedlichen Tarifverträgen, sind bei anderen Unternehmen möglicherweise so nicht vorhanden. Er sieht die berechtigte Gefahr, dass am Ende zwei oder drei Zahlen auf dem Papier miteinander verglichen werden ohne dass die Besonderheiten und vor allem auch die Leistungen seines Teams angemessen berücksichtigt werden. Was bei Entgeltabrechungen und vergleichbaren - nicht zu den "Kernkompetenzen eines Unternehmens" zählenden - Einheiten schon seit längerer Zeit Brauch ist, har sich in den letzten Jahren auf nahezu alle Lebensbereiche ausgedehnt. Ob Hotelbesuch, Urlaubsbuchung oder Reifenwechsel, postwendend erhält man am Ende einen Fragebogen und wird gebeten die erbrachte Leistung zu bewerten. Der Fragebogen ist natürlich standardisiert und gibt oft meine individuellen Erwartungen gar nicht treffsicher wieder. Am Ende werden daraus Kennziffern - Key-Figures - destilliert, die schlimmstenfalls noch als Werte für die Zielerreichung der jeweiligen Mitarbeiter herhalten müssen. Werden solche Zahlen nur innerhalb eines Unternehmens genutzt, kann man wenigstes für eine vegleichbare Datengrundlage sorgen. Problematisch wird es, wenn solche Größen unternehmensübegreifend verglichen werden. Um so mehr, je mehr es sich um eher softe Größen handelt. Es ist durchaus sinnvoll, die Kosten von Entgeltabrechnungen miteinander zu vergleichen aber man muß sich dann auch die Mühe machen und die dahinterstehenden Unternehmen genauer zu betrachten. Diese Information müssen in den benchmark einfließen.
Problematischer als diese "technischen" Gesichtspunkte ist die grundsätzliche Entwicklung. Dieses nahezu bedingungslose Meßbarkeitsstreben bedeutet in der Konsequenz auch bedingungslose Standardisierung und auch eine immer weiter gehende Individualisierung. Die Praxis in Call-Centern ist hier nur ein Beispiel. Die Leistung der Mitarbeiter muß am Ende in einer Handvoll Größen ausdrückbar sein. Die Gesamtpersönlichkeit gerät immer mehr in den Hintergrund. Wohlgemerkt, Standardisierung ist etwas sehr sinnvolles und auch kostensparendes. Ebenso ist es notwendig in einer Organisation Meßgrößen zu haben an denen ich Erfolg oder Mißerfolg messen und vor allem rechtzeitig erkennen kann. Aber der Spielraum für Flexibilität, für die Reaktion auf individuelle Kundenwünsche oder unvorhergesehene Ereignisse darf nicht verloren gehen. Im Gegenteil, die wichtigste Voraussetzung für Erfolg von Unterehmen wird es zukünftig sein, flexibel und schnell auf nicht oder nur bedingt planbare Ereignisse zu reagieren. Dem steht übertriebene Standardisierung und damit Meßbarkeit entgegen.
Einen Vorteil hat Meßbarkeit: sie reduziert bei konsequenter Handhabung persönliche Führung auf ein Mindestmaß. Wenn sich die Leistung eines Mitarbeiters an einigen Kennziffern ablesen läßt, brauche ich nur noch die Entwicklung dieser Werte zu kontrollieren. Bei Abweichung ist dann nur vom Mitarbeiter das Wiederreichen des Zielbandes zu fordern oder ggf. den Prozeß, in dem er tätig ist, zu optimieren. Die Anforderungen an Führungskräfte sind dann nicht mehr so hoch, sie müssen auch nur noch ihre Ziegrößen erfüllen und sind bei Bedarf leichter austauschbar.
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