Diese Frage ist ein Klassiker. Ja, natürlich, man kann. Denn ob Du oder Sie ist nur die Oberfläche - das sagt zunächst noch nichts darüber aus, wie geführt wird. Deswegen wird die Frage auch so oft gestellt, weil man glaubt, das sein schon ein entscheidender Ausdruck des Führungsverhaltens.
Da ist der gängige Fall: Er oder sie wird "aus den eigenen Reihen" befördert, hat vorher zu einigen Kollegen freundschaftliche Kontakte gepflegt und duzt sie. Soll er das jetzt so beibehalten? Einige werden geduzt, die anderen gesiezt. Nach meiner Ansicht kann das ruhig so beibehalten werden, die Führungskraft sollt es aber bei einer passenden Gelegenheit mal erklären, insbesondere, wenn sie merkt, dass darüber in der Abteilung gegrummelt wird. Was sie nicht machen sollte, aus Gerechtigkeitsgründen allen das Du anbieten. Es gab vorher Gründe, warum man sich mit bestimmten Kollegen geduzt hat und mit anderen nicht. Die ändern sich ja nicht dadurch, dass man befördert wurde. Nur muß man als Führungskraft beachten, dass die Beziehung zwischen Mitarbeitern und Chef/in eine andere ist wie zwischen Kollegen. Sie ist kein Grund ein vorher praktiziertes Du aufzugeben. Man sollte aber in der Rolle als Führungskraft sensibel damit umgehen. D.h., beispielsweise nicht einigen das Du anbieten, anderen nicht. Auch Mitarbeiter reagieren darauf sehr empfindlich. Warum wird jetzt die Kollegin gedutzt und ich nicht? Man muß auch als Führungskraft nicht krampfhaft anstreben, dass sich alle duzen. Ich habe mal eine Führungskraft erlebt, die war mit einem Mitabeiter privat befreundet. Im Büro und in Gegenwart anderer haben die zwei sich aber brav gesiezt. Dieses Verhalten zeugt nicht gerade von Souveränität und Authentizität. Auch das hätte man den anderen Kollegen erklären können.
Es ist durchaus eine besondere Situation, wenn man Chef von befreundeten Kollegen wird. Erst recht, wenn es vielleicht sogar die erste Führungsposition ist. Aber das Du darf nicht das Führungsverhalten beeinträchtigen. D.h., es darf nicht zu irgendwie gearteten Bevorzugungen kommen. Besonders in dem Punkt sind die nicht geduzten Kollegen schnell argwöhnisch. Allerdings sollte eine wirklich freundschaftliche Besziehung auch damit zurecht kommen, wenn ein Partner plötzlich Chef wird. Aber Du und Freundschaft ist natürlich auch nicht automatisch identisch.
Darum sehen sie die Frage pragmatisch - und hängen sie sie nicht zu hoch. Führung drückt sich nicht dadurch aus, ob man Sie oder Du sagt. Sie werden als Chef nicht automatisch beliebter und erhalten mehr Anerkennung, wenn sie ihre Mitarbeiter duzen. Um den Mitarbeiter als Menschen wahrzumehmen, müssen sie ihn nicht duzen. Lob, Anerkennung oder auch kritische Rückkopplung können sie ihm auch in der Sie-Form geben.
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