Was ist Beurteilung? Eine Rückmeldung an eine Person über ihre Leistung in einem zurückliegenden Zeitraum. Braucht man dafür ein Formular? Ein reguliertes Verfahren, das Zeitraum, Art und Weise, wie die Beurteilung durchzuführen sei, genau vorschreibt? Normalerweise nicht - oder "normalerweise" doch. Denn gerade das fällt uns Menschen ja schwer: dem Anderen Feed-Back zu geben, ihm zu sagen, was man gut oder schlecht an ihm oder seiner Arbeit findet. Da kann es schon helfen, wenn man als Vorgesetzter das Gespräch auf einem Blatt Papier vorstrukturiert, sich überlegt, was man sagen will und sagen muß. Sorgfältig darauf vorbereiten sollte man sich eh. Eine Krücke kann dann schon hilfreich sein, erst recht, wenn man neu ist und keine Erfahrung mit Beurteilung als Chef hat. Aber eine Krücke darf für einen Gesunden kein Dauer-
hilfsmittel sein. Kein Rehabilitant würde nach einem ausgeheilten Oberschenkelhalsbruch weiter eine Krücke akzeptieren, wenn er wieder richtig laufen kann. Aber als Führungskraft macht er es bedenkenlos, manche gieren geradezu danach, sehen es als unverzichtbare Voraussetzung für die erfolgreiche Bewältigung ihrer Führungsaufgabe an. Und werden auch von vielen Managementtheoretikern darin bestärkt.
Nun haben viele Tarifverträge dieses Übel noch verstärkt, indem sie Beurteilungssysteme festgeschrieben, verbindlich gemacht und teilweise sehr detailliert geregelt haben. Damit kommen tarifgebundene Unter-nehmen da nicht mehr raus. Sie haben auch noch ein zweites Übel institutionalisiert, sie haben das Beurteilungsergebnis mit Geld, mit einer Leistungszulage, verknüpft. Damit fällt es vielen Vorgesetzten noch schwerer adäquat zu beurteilen. Man will dem Mitarbeiter ja nicht ans Geld, beziehungsweise man kann die Beurteilung sehr schön als Gehaltserhöhungsinstrument nutzen, erst recht, wenn das Budget nichts mehr hergibt. So sind die zusammengefaßten Ergebnisse aller Beurteilungssysteme dieser Welt immer im positiven Bereich.
Damit ist das institutionalisierte Beurteilungssystem ein excellentes Beispiel dafür, wie eine Krücke zu einem unentbehrlichen Hilfsmittel wird. Wie ein Herzschrittmacher, der eingepflanzt wird und ohne den man nicht mehr leben kann. Von einer Führungskraft erwarte ich aber, dass sie "gesund" ist, dass sie ihre Führungsaufgabe ohne dauerhafte Hilfsmittel bewältigt. Feed-Back geben ist ein elementarer Bestandteil von Führung. Das muß man als Chef lernen und das kann man auch lernen. Übrigens: auch Anerkennung ist Feed-Back.
Für die am Thema Motivation weitergehend Interessierten mal ein Literaturtipp: Drive, von Daniel H. Pink,
Ecovin Verlag, Salzburg.
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