Donnerstag, 23. Februar 2023

Pilotprojekt Vier-Tage-Woche

Kommt der Applaus nicht etwas zu früh?

Das Pilotprojekt in Großbritannien, vier Tage arbeiten zum gleichen Lohn wie bei einer Fünf-Tage-Woche, kann offensichtlich als Erfolg bewertet werden. Die Mehrzahl der Beteiligten will an dem Konzept festhalten. In der Tat gibt es etliche positive Ergebnisse. Der Umsatz stieg, die Fehlzeitenquoten sanken deutlich und auch die Kündigungsrate ging spürbar zurück. Überdies suchten die Beschäftigten in den beteiligten Unternehmen selbst nach Wegen, um die Produktivität zu steigern.
Das alles klingt nicht nur gut, dieses Projekt muss auch als ernstzunehmender und gelungener Versuch gewertet werden, Arbeitsgedingungen zukunftsgerecht zu gestalten. Es zeigt einmal mehr, dass die Arbeitszeit ein Gestaltungsfeld ist, dass noch lange nicht fertig bearbeitet ist.
Es seien jedoch auch einige Anmerkungen erlaubt. Zunächst müssen diese bisher positiven Effekte längerfristig beobachtet werden. Wie entwickelt sich die Produktivität weiter? Steigen die Krankenstände wieder? Aus betriebssoziologischen Untersuchungen ist die Beobachtung bekannt, dass die Motivation von Beschäftigten positiv beeinflußt wird, wenn sie merken, dass man sich für die interesiert, sich um sie kümmert. D.h., die Mitarbeitenden, die an diesem Projekt teilnahmen, standen im Interesse. Sie wurden beobachtet, befragt und begleitet. Zudem kamen sie in den Genuß einer neuen Vergünstigung. Das alles wirkt sich positiv auf die Leistungserbringung aus. Doch wie lange hält diese Wirkung an? Trägt sie auch durch den Alltag?
Damit kommen wir zu dem möglicherweise wunden Punkt des Projekts. Wenn ich es richtig verstanden habe, basiert es auf der Annahme: Die Arbeitszeit kann verkürzt werden, das Entgelt wird nicht gekürzt, wenn die Produktivität erhalten bleibt. Oder salopp gesagt: Ihr könnt weniger arbeiten, aber ihr müsst dieselbe Leistung erbringen. Was passiert, wenn die Produktivität sinkt? Abgesehen davon war der veröffentlichten Berichterstattung zu dem Thema nicht zu entnehmen, wie diese denn gemessen wird. 
Eine Erkenntnis aus diesem Projekt aber müsste besonders zum Nachdenken anregen. Wenn man mit der Vier-Tage-Woche und der gleichen Anzahl von Beschäftigten dasselbe Ergebnis erzielt, wie in einer Fünf-Tage-Woche, dann bedeutet das, dass an einem Arbeitstag nur Blindleistung erzeugt wurde. Allein diese Vorstellung müsste Organisationen geradezu dazu drängen, diesen Versuch ebenfalls zu starten.
Also: Applaus ja, aber noch etwas zurückhaltend.
 
 



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