Kein Fortschritt, aber auch kein Drama
Dass die Arbeitgeber dieses Urteil ablehnen, darf natürlich nicht verwundern. Ihre Kritik ist allerdings auch berechtigt. Im Zeitalter des hybriden Arbeitens, in dem die Trennung zwischen Arbeitsort und Arbeitszeit immer mehr zunimmt, die Arbeit im Home-Office angesichts der Corona-Pandemie sogar proklamiert wird, mutet es in der Tat nicht mehr zeitgemäß an.
Hinzu kommt, dass die Kontrolle der Arbeitszeit in der Regel nichts über die in dieser Zeit erzeugte Leistung aussagt.
Dennoch hat das Urteil gerade in dieser Zeit seine Berechtigung. In Folge des flexiblen Arbeitens hat auch die Trennung zwischen Arbeitszeit und Privatzeit an Bedeutung verloren. Untersuchungen belegen immer wieder, dass dort wo keine Arbeitszeit erfasst wird, oft mehr gearbeitet wird, wie vertraglich vereinbart. Die vom Gericht geforderte Aufzeichnungspflicht von Arbeitszeit kann eine Schutzfunktion erfüllen. Durch sie können die Beschäftigten dokumentieren, ob sie möglicherweise zuviel gearbeitet haben und einen Ausgleich dafür einfordern. Man denke auch an die immer noch zahlreichen Praktiken, den Mindestlohn über längere Arbeitszeiten auszuhebeln.
Dagegen kann man einwenden, dass gerade viele jüngere Beschäftigte mit flexiblen Arbeitszeiten kein Problem haben, selbst wenn daraus Mehrarbeit resultiert. Muss man die dann besonders schützen?
Allerdings sollte man diese Gruppe nicht gegen die ausspielen, die 'Unterstützung' bei der Wahrung ihrer Arbeitszeitinteressen benötigen.
Die Kritik der Arbeitgeber klingt aber auch deshalb nicht so überzeugend, weil viele Unternehmen immer noch aufwendige Zeiterfassungssysteme betreiben. Hinzu kommt, dass Arbeitszeiterfassung mit den heutigen technischen Möglichkeiten auch bei ortsflexibler Arbeit kein Problem darstellt.
Wenn man die Vorbehalte in der aktuellen Diskussion um eine mögliche Home-Office Pflicht verfolgt und - wie der Autor dieser Zeilen - die in der Vergangenheit geführten, vorurteilsbelasteten Diskussionen um jegliche Art von flexiblen Arbeitszeiten noch in Erinnerung hat, sollte man sich nicht wundern, wenn mancher Arbeitgeber tief in seinem Herzen diese Aufzeichnungspflicht sogar begrüßt.
Aber gerade deshalb ist die Aufzeichnungspflicht das falsche Signal. Sie stellt keinen Beitrag zu einer vertrauensvollen Zusammenarbeit dar. Wenn es wirklich nur auf das Ergebnis der Arbeit ankäme, müsste die Arbeitszeit eigentlich nicht kontrolliert werden. Wenn Personalbemessung und damit zusammenhängnd die Arbeitsbelastung 'angemessen' sind, kann die Schutzfunktion der Arbeitszeiterfassung mindestens reduziert werden.
Darüberhinaus besteht die Gefahr, dass durch die nun zwangsläufigerweise folgenden Gesetzes- und Tarifvertragsregelungen eine unnötige Kompliziertheit in das Thema kommt. Einfacher wird es bestimmt nicht.
Abschließend bleibt die Frage: wer will und soll das eigentlich kontrollieren? Schon in der Vergangenheit galt das Arbeitszeitgesetz als das meist übertretene Gesetz Deutschlands. Das dürfte sich durch die nun anstehenden Regelungen nicht ändern.
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