Samstag, 31. Juli 2021

Steht der Mensch im Mittelpunkt?

 "Je größer der Erfolg, desto größer die Freiheitsgrade für die Belegschaft"

Dieses Zitat des Unternehmers Reinhold Würth ist einer PR-Veröffentlichung des gleichnamigen Unternehmens entnommen. Darin wird die Attraktivität von Würth als Arbeitgeber gepriesen. Schlagworte wie 'New Work' und 'Agiles Arbeiten' dürfen selbstredend nicht fehlen. Ebenso wenig überrraschend ist, dass man sich auch mit 7.900 Beschäftigten noch zuschreibt, "im Herzen ein Familienunternehmen" geblieben zu sein. Von daher liegt dann auch der in solchen Darstellungen schon nicht mehr originelle Satz nahe "Im Mittelpunkt steht der Mensch".

Verblüffend in dieser Personalmarketing-Biederkeit ist in der Tat die Ehrlichkeit des obigen Zitats. Bedeutet es doch im Umkehrschluß, dass die Freiheitsgrade in dem Maße wieder abnehmen, wie der Erfolg sinkt. Damit sind wir beim Kernsatz betriebswirtschaftlichen, unternehmerischen Handelns. Wenn "am Ende des Tages" das Ergebnis nicht stimmt, ist nicht nur Schluß mit den Freiheitsgraden, sondern auch mit einigem Anderen. Wobei "Ergebnis nicht stimmt" auch mal heißen kann, dass statt 10 nur 5 % Rendite erwirtschaftet wurden. Dann steht der Mensch nicht mehr im Mittelpunkt, sondern wie es in dem alten Kalauer heißt, jedem im Wege und wird wegrationalisiert. 

Es ist notwendig, dass ein Unternehmen ein positives Ergebnis erwirtschaftet. Das ist das Ziel, das im Mittelpunkt unternehmerischen Handelns steht. Vielen Unternehmen kommt es darauf an, dieses Ergebnis kontinuierlich zu verbessern. Auch das bringt das Zitat von Herrn Würth zum Ausdruck. Wenn die Beschäftigten an dieser Entwicklung fair beteiligt werden, ist auch dagegen wenig einzuwenden.

Aber warum tun sich Unternehmen so schwer, diesen Mechanismus ehrlich zu kommunizieren? Das Ergebnis steht im Mittelpunkt und leider nicht der Mensch. Warum stilisiert sich ein Unternehmen mit fast 8.000 Mitarbeitern zur Familie? Die Arbeitsbedingungen werden nicht schon dadurch besser, dass dass es sich um ein Familienunternehmen handelt. Eine solche Großorganisation weist keinerlei Ähnlichkeit mit einer Familie mehr auf. 

Vielleicht sollten die Personalmarketingleute von Würth das Zitat ihres Chefs in den Mittelpunkt ihrer Kommunikation stellen und aufzeigen, wie Unternehmenserfolg und Arbeitsbedingungen bei Würth zusammenhängen. Auch Ehrlichkeit kommt bei Bewerber*innen gut an.

Sonntag, 18. Juli 2021

Beurteilungssysteme abschaffen!

Feedback ist eine Führungsaufgabe

Zwei Forderungen, die scheinbar widersprüchlich klingen, aber für ein zentrales Dilemma im Führungsalltag von Organisationen jeglicher Art stehen. Feedback - positiv wie kritisch - ist notwendig, aber es zu praktizieren ist auch schwer. Darum wurde es in vielerlei Prozeduren und Formalismen gekleidet, um seine Umsetzung sicherzustellen und die Leistungserstellung zu fördern.
Nach vielen Jahren Praxis und allerlei möglichen und unmöglichen Versuchen die Systeme und Verfahren zu reformieren und zu "verbessern", muss man sagen, die Zielsetzung wurde nie erreicht.

Die Führungskrücke Beurteilungssystem ist gescheitert

Aber anstatt sie ins Museum für gescheiterte Managementlehren zu stellen, wird sie zum Performance-Management aufgemotzt und weiter mit Überzeugung angepriesen. Leider tun auch die HR-KollegInnen alles dafür, dass das so bleibt. Warum ist das so? Weil viele Führungskräfte sich schwer damit tun, ihren MitarbeiterInnen ihre Leistung zu spiegeln. Sie nutzen stöhnend die Führungskrücke Beurteilungssystem und fühlen sich dadurch von der lästigen Feedback-Pflicht entlastet. Die Erfüllung der formalen Prozedur wird wichtiger als das Feedback selbst. Vollends zum Scheitern gebracht hat die Beurteilungssysteme die Verknüpfung mit Geld, mit sogenannten Leistungszulagen. Leider ist die in zahlreichen Tarifverträgen verankert. Damit wird der Trend hin zur positiven Beurteilung zementiert. Kein Vorgesetzter will seiner Mitarbeiterin Geld wegnehmen.

Nehmt den "Führungs-Kräften" die Krücken weg und zwingt sie zum Führen

Feedback ist eine elementare Führungsaufgabe. Eine Führungskraft muss dazu in der Lage sein. Wer das ohne Krücke nicht schafft, sollte eigentlich die Führungsaufgabe abgeben. 
HR sollte seine Aufgabe darin sehen, die Führungskräfte zu begleiten, zu unterstützen, zu trainieren und vor allem, schon bei der Auswahl kompromisslos darauf zu achten, dass nur Personen in Führungspositionen kommen, die dazu auch geeignet sind.
Leider legen viele PersonalerInnen ihren Ehrgeiz in die Einrichtung und den Betrieb von wuchtigen Instrumenten und merken nicht, dass sie damit zum Verkümmern der Führungsfähigkeit ihrer Manager beitragen. 
Darum: Fahrt das Performance Management zurück und ertüchtigt parallel die Führungskräfte. Das wäre ein Schritt hin zu wirklicher Agilität.