Sonntag, 30. August 2020
Die Diskussion um die Vier-Tage-Woche ist phantasielos
Sonntag, 23. August 2020
Wir brauchen ein Gesamtkonzept
In den Diskussionen und besonders in den Klagen über die Situation der Schulen am Ferienende unter Coronabedingungen gehört die Forderung zum Repertoire. Wir brauchen ein Gesamtkonzept. Dieses Geamtkonzept soll alle offenen Fragen beantworten und die Sorgen des Lehrpersonals wie auch der Eltern zerstreuen.
Doch was soll das den sein, ein Gesamtkonzept? Gerade im Bildungsbereich wird die Unsinnigkeit dieser Forderung schnell deutlich. Wer das fordert, müsste konsequenterweise den Föderalismus abschaffen. Denn ein Geamtkonzept für die Schulen müsste ja bundesweit gelten. Damit ich nicht falsch verstanden werde, das wäre absolut notwendig. Aber politisch realistisch ist es aktuell nicht. Doch selbst wenn man innerhalb eines Bundeslandes bliebe, wird es schwierig mit dem Gesamtkonzept. Ein landesweites Konzept kann kaum die unterschiedlichen Situationen in Städten, Regionen und einzelnen Schulen unterschiedlicher Schularten berücksichtigen. Wollte man das versuchen, käme wahrscheinlich ein bürokratisches Meisterwerk raus, mit dem aber niemand etwas anfangen könnte.
Die Forderung nach dem Gesamtkonzept kommt uns aber nicht nur aus dem Bildungsbereich bekannt vor. Auch in Unternehmen wird gerne nach dem Gesamtkonzept gerufen, wenn jemand beispielsweise eine Idee vorträgt. Die kann man, ohne sie direkt abzulehnen, mit dem Vorschlag, sie solle in eine Gesamtkonzept einbezogen werden, unter Berücksichtigung von allerlei Fragen, wunderbar auf die lange Bank schieben, in der Hoffnung, dass sie dann vergessen wird. Oder der umgekehrte Fall, man hat ein Problem, das eigentlich zügig gelöste werden müsse, aber niemand hat eine griffige Idee. Da wird dann eine Projektgruppe installiert, die ein Konzept entwickeln soll.
Im übrigen läßt sich Gesamtkonzept auch gut durch Strategie ersetzen. Man will oder kann sich nicht mit der aktuellen Situation auseindersetzen und ruft nach dem großen Rahmen. Dabei wäre die kurzfristige, pragmatische Einzelfallentscheidung oft die bessere Lösung. Das sieht man auch in den Schulen. Warum kann eine einzelne Schule für sich nicht ein Konzept entwickeln? Warum wird in Organisationen so oft regelrecht gewartet, bis "von oben" eine Anweisung kommt? Kurz: warum funktioniert Empowerment so schwer, obwohl schon seit Jahrzehnten davon geredet wird?
Darum müssen die Verantwortlichen in allen Arten von Organisationen jetzt den Sprung ins wirklich kalte Wasser wagen und ihren Leuten zurufen: "Vergesst die Gesamtkonzepte! Ihr habt Kompetenz und Erfahrung genug, um vor Ort die passende Entscheidung zu treffen. Wenn ihr Hilfe braucht, könnt ihr euch auf die Organisation verlassen. Und wenn ein Fehler passiert, lassen wir euch nicht im Regen stehen und zeigen mit dem Finger auf euch. Aber auch ihr müsst Verantwortung für eure Entscheidungen übernehmen."
Schön wär's. Siehe oben. Was ist nicht schon alles über Empowerment geschrieben worden? Aber vielleicht gibt die aktuelle Situation ja doch einen kleinen Denkanstoß. Darum fangt an und vergesst die Gesamtkonzepte.
Freitag, 14. August 2020
Vom Sie zum Du...
....und schon wird alles besser.
Es ist schon bemerkenswert, wie leicht man durch den Gebrauch von Symbolen, Realität vortäuschen kann. Da drücken wir uns politisch korrekt aus und schon wird uns Offenheit für Diversität zugestanden. Und wenn wir fleißig Gendersternchen nutzen, kommen wir nicht in den Verdacht etwas gegen Gleichberechtigung zu haben.
Genauso ist es mit dem Du am Arbeitsplatz. So wie es zunehmend in ist, beeinflußt auch durch den Umgangston in sozialen Netzwerken, sich zu duzen, wird es gleich ideologisch überhöht. Da steht das "Sie" für eine hierarchische Denk- und Arbeitsweise, das "Du" aber schafft Nähe und emotionale Verbundenheit, die auch im Arbeitsumfeld zu einem besseren Miteinander führt.
Um nicht missverstanden zu werden, ich trete jederzeit für unkompliziertes Zusammenarbeiten ein, ohne Krawatte und gerne per Du. Aber am Führungsverhalten, an Hierarchien, an den sogenannten Machtverhältnissen ändert das noch gar nichts. Wertschätzung kommt nicht automatisch, wenn man sich duzt. Man werfe nur einen Blick hinter die Kulissen der sogenannten agilen Methoden, die sich ja explizit Hierarchiefreiheit auf die Fahnen geschriebenen haben und Sie als Fremdwort behandeln. Mit Hilfe eines detaillierten Regelwerkes und Rollenbeschreibungen, die mühelos mit jeder klassischen Organisationsanweisung mithalten können, wird unter dem Deckmantel der Selbstbestimmung des Teams ein gleichsam tayloristischer Leistungsdruck erzeugt.
Ich weiß nicht, wie weit Du bei der Lufthansa verbreitet ist, aber es wird die von Kündigungen Betroffenen sicher trösten, wenn die Kündigung per Du ausgesprochen wird. Ich wage auch zu bezweifeln, dass die Nähe und emotionale Verbundenheit in Du-Form die Qualität von Kritikgesprächen verbessert.
Hauptsache wir duzen uns und der CEO läuft zur Tarnung in Jeans und ohne Krawatte herum. Damit haben wir schon mal einen wichtigen Schritt in Richtung Wir-Gefühl gemacht. Bis zum nächsten Kostensenkungsprojekt glauben vielleicht auch einige daran.