Sonntag, 8. Dezember 2019

Die Akkordarbeit ist tot...

....es lebe die Akkordarbeit

Ein Getränkelieferdienst optimiert die Auslieferungszeit seiner Fahrer mit einem GPS-System. Minimiert werden soll die Zeit, die der Auslieferer bem Kunden verbringt. Das GPS meldet die Ankunft beim Kunden, wenn der Wagen steht und der Motor aus ist. Von dieser Zeitspanne hängt ein Bonus des Fahrers ab. Das Geschäftsmodell des Lieferdienstes beruht darauf, dass die Kunden die Getränke online bestellen und die Zusage bekommen, dass diese innerhalb von 120 Minuten an die Haustür, auch wenn diese im 4. Stock ist, geliefert werden.

Dieses Entlohnungsprinzip entspricht genau dem der Akkordarbeit. Zur Erinnerung: diese Form der sogenannten Leistungsentlohnung in Form von Geld- oder Stückakkord stammt bereis aus der Gründerzeit der großindustriellen Produktion. Nachdem sie in der Industrie an Bedeutung verloren hat, feiert das Prinzip nun in vielen anderen Bereichen Dank moderner Technik fröhliche Urständ. Man darf bei dieser Gelegenheit ruhig noch einmal an die vielen schönfärberischen Prognosen zu den segensreichen Auswirkungen der Digitalisierung auf die Arbeit erinnern - von wegen "Entlastung von allen Routinearbeiten und Zeit für kreative anspruchsvolle Tätigkeiten". Wo Arbeit - und das betrifft nicht nur die Arbeit von Getränkeauslieferern - durch moderne Technik optimiert, produktiver gemacht, werden kann, wird diese Möglichkeit genutzt. Und dieser Produktivitätsspielraum wird keinesfalls dem Mitarbeiter "überlassen". Wenn der Getränkefahrer mit seiner Kundin ein Schwätzchen halten will, wird er dafür bestraft.
Wie anders war das dagegen in den Zeiten der guten, alten Akkordarbeit. In der Regel wurde die harte Arbeit wenigstens noch verhältnismäßig ordentlich entlohnt. Bei einem Basislohn von 10,50 für den Getränkefahrer kann man davon kaum reden. Dann hatten die Gewerkschaften im Laufe der Zeit viele Regelungen erstritten (wohlgemerkt "erstritten" - die sind also keinesfalls im Laufe des technischen Fortschritts automatisch entstanden), die die Akkordarbeit erträglicher machten. Es gab Rüst- und persönliche Verteilzeiten und wenn beispielsweise die Maschine kaputt war, durfte das nicht zu Lasten des Arbeiters gehen. Und wenn der Werker in einem guten Monat viele Minuten gearbeitet hatte, konnte er einen Teil davon in der Schublade bunkern, um sie für einen schechteren Monat aufzuheben und seinen Lohn aufzubessern.
Dank moderner Technik ist das alles vorbei. Aber wir können sicher sein, das Prinzip der Akkordarbeit wird uns erhalten bleiben und es wird beileibe nicht auf die klassische Industriearbeit beschränkt sein.

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