Über einen wenig diskutierten Zusammenhang
Die Entgeltstrukturen in Organisationen sind im Prinzip hierarchisch aufgebaut. Besonders deutlich wird dies, wenn der Bezahlung eine analytische Arbeitsbewertung zugrunde liegt. Je höher die Anforderungen, desto höher auch das Entgelt. Die Hierarchie spiegelt die Entgeltstruktur und umgekehrt. In tarifvertraglich geregelten Unternehmen gibt es in der "unteren Hälfte" der Organisation die Tarifbeschäftigten und und zur Spitze hin die außertariflischen.Diesen Zusammenhang muss man im Auge behalten, wenn man von der Reduzierung der Hierarchie oder gar deren Abschaffung redet.
Stellen wir uns einmal eine Organisation ohne Hierarchie vor. (Dass meine Phantasie diesbezüglich sehr begrenzt ist, habe ich an dieser Stelle schon mehrfach kundgetan.) In Unternehmen, die das praktizieren, gibt es konsequenterweise keine formalen Vorgesetzten mehr. Stattdessen werden deren Aufgaben von den Beschäftigten übernommen, beziehungsweise kollektiv wahrgenommen. Wie sieht dort die Entgeltstruktur aus? Beziehen alle das gleiche Entgelt? In der Literatur findet man tatsächlich Beispiele, in denen auch die Gehälter im Team diskutiert und festgelegt werden. Leider habe ich noch keine detaillierte Beschreibung gefunden, wie so etwas abläuft. Zunächst muss ja ein Budget "vorgegeben" werden, über das diskutiert werden kann. Wer legt das fest? Geschieht das auch in einem Kollektiv? Wird dieses Budget dann einfach durch die Anzahl der Köpfe dividiert? Wenn nein, nach welchen Kriterien werden die Unterschiede festgelegt?
Dass die Beschäftigten über die Entgeltstruktur selbst entscheiden können und sollen, mag für viele ein erstrebenswerter Zustand sein, setzt bei den Beteiligten aber Persönlichkeitsstrukturen voraus, noch dazu in einer ausgeprägten Homogenität, die nach meiner Erfahrung in der Realität nicht anzutreffen sind.
Schließlich muss man auch fragen, wie derartige Abstimmungsprozesse in größeren Organisationen ablaufen. Es muss ja mindestens gewährleistet sein, dass es eine horizontale und vertikale Gerechtigkeit zwischen vergleichbaren Funktionen gibt. Dass sich ein überschaubares Team über die Entgelte seiner Mitglieder verständigen kann, mag man ja noch nachvollziehen können. Wie das aber in einer Organisation von tausend Mitarbeitern geht, ohne nicht doch auf Elemente von Hierarchie zurückzugreifen, kann ich mir schwer vorstellen.
Organisationen sind zwar auf die Persönlichkeiten angewiesen, die in ihnen arbeiten, sie können sich aber nicht von ihnen abhängig machen. Sie können ihre langfristige Existenz nicht an die Vorausssetzung knüpfen, dass sie kontinuierlich Mitarbeiter mit bestimmten Persönlichkeitsstrukturen an sich binden können.
Hierarchie bedeutet die für alle verbindliche Regulierung und Struktur der Organisation. Sie gewährleistet damit Verläßlichkeit und auch Transparenz unabhängig von den handelnden Personen. Sie reduziert Komplexität und sichert Kontinuität. Damit ist noch nichts über ihre Ausgestaltung gesagt. Auch innerhalb eine Hierarchie können wertschätzende Führung und fairer Umgang miteinander möglich sein.
Gerade bezüglich ihres Entgeltes erwarten die Beschäftigten diese Verläßlichkeit und Transparenz der Entgeltfindung. Ich bezweifle, dass ein aufwendiger, jährlich zu wiederholender Abstimmungsprozeß im Kollektiv langfristig motivierender ist als beispielsweise ein Engelt, das auf einem Tarifvertrag beruht. Damit aber sind wir wieder in einer hierarchischen Struktur.
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