Die Peer Group kann den Chef nicht ersetzen
Die klassische Leistungsbeurteilung kommt zunehmend in die Kritik. Das muss man zunächst positiv vermerken. Zu formalistisch, zu aufwendig und vor allem, zu selten, weil meist nur einmal im Jahr. Darüberhinaus findet Feedback kaum statt. Und wenn die Beurteilung noch mit einer Prämie verbunden ist, verliert sie vollends ihren Sinn. Dann ist die Tendenz zur positiven - und damit verzerrten - Beurteilung noch ausgeprägter. Das alles habe ich hier schon oft diskutiert.Als Alternative dazu wird immer wieder das Peer-Feedback propagiert, also das Feedback durch die Kollegen, die mit dem zu Beurteilenden zusammenarbeiten. Das müssen nicht notwendigerweise nur Mitglieder der eigenen Abteilung sein. Diese Form der Beurteilung ist gewissermaßen eine abgespeckte Form der 360° Beurteilung. Die sollte idealerweise auch Kunden, Lieferanten oder andere externe Bezugspersonen einbeziehen. Man muss nicht lange überlegen, um zu verstehen, dass sich diese Methode nicht durchgesetzt hat.
Aber auch das auf die Kollegen beschränkte Peer-Feedback ist keine Alternative zur Vorgesetztenbeurteilung.
Es ist die klassische Aufgabe des Vorgesetzten in seinem Verantwortungsbereich für einen erfolgreichen Beitrag zur Erreichung der Ziele der Organisation zu sorgen. Das umfaßt zwei Komponenten, die Vermittlung und Verteilung der Detailaufgaben an die Beschäftigten und die Sicherstellung des Outputs. Dafür trägt er die Verantwortung. Damit ist untrennbar das Feedback verbunden als Rückmeldung, wie etwas geklappt hat oder auch nicht. Das dafür formalisierte Beurteilungssysteme kaum geeignet sind, scheint sich langsam rumzusprechen. Feedback muss kontinuierlich und zeitnah erfolgen, gerade auch wenn es positiv ist.
Warum soll ausgerechnet einer der größten Kritikpunkte an der klassischen Leistungsbeurteilung, die in der Regel zu positive Bewertung, bei der Kollegenbeurteilung wegfallen? Es gibt Beispiele, in denen können sich die zu Beurteilenden die Gruppe der Kollegen, die ihnen Feedback geben soll, selbst zusammenstellen. Glaubt denn im Ernst jemand, dass dabei eine wirklich kritische Beurteilung rauskommen kann? Seriöserweise können die Kollegen auch nur beurteilen, wie sie den anderen im Arbeitsprozeß erleben. Liefert er pünktlich? Verursacht er bei ihnen Nacharbeit? Ist sie hilfsbereit? Wie sieht es bei konfliktträchtigen Themen, wie Urlaubsplanung oder ähnlichem aus?
Der Beitrag, den der oder die Betreffende zum Abteilungsergebnis leistet, dürfte nur aus einem subjektiven Blickwinkel heraus beurteilt werden können und außerdem dadurch beeinflußt sein, wie der beurteilende Kollege den anderen im Vergleich zu seiner eigenen Leistung sieht. Wenn dann noch eine Konkurrenzsituation hinzukommt, dürfte es mit einer unvoreingenommenen Beurteilung schwer werden.
Ich will das Peer-Feedback hier nicht gänzlich in Abrede stellen. Wer damit experimentieren will, sollte es tun. Nur sollte klar sein, dass es die Führungskraft nicht aus ihrer Verpflichtung zum Feedback entlassen kann. Es kann die Vorgesetztenbeurteilung bestenfalls ergänzen.
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