Mittwoch, 10. Januar 2018

Tarif-Rituale

Das Weihnachtsfest ist vorbei, doch mit ähnlicher Regelmäßigkeit und vergleichbarer Ritualisierung können wir nun wieder ein anderes Spektakel beaobachten: die Tarifverhandlungen in der Metallindustrie. Zum Start gibt die IG Metall eine exorbitant hohe Forderung mit Trommelwirbel und Fanfaren bekannt. Die Arbeitgeber reagieren mit heftiger Zurückweisung.
Dann starten die Verhandlungen in den regionalen Tarifbereichen. Hinter den Kulissen legen die Regisseure beider Seiten fest, wer die Rolle des Pilotbezirks spielt und damit den maßgeblichen Abschluss vorlegt. Die ersten zwei Runden sind meist völlig umsonst, sie dienen nur der gegenseitigen Beschimpfung. Die IG Metall führt Warnstreiks durch.
Heute war im Regional-Radio beispielsweise eine Reportage von der "Streikfront" bei Porsche zu hören, in der auch der für seine markigen Worte bekannte Betriebsratsvorsitzende zu Wort kam. Als Zuhörer kann einem das Schmunzeln vergehen, wenn man die Einkommensbedingungen der Porschebeschäftigten beispielsweise mit denen von Paketdiensten vergleicht. Aber man (wobei das meist nur geringe Anteile der Gesamtbelegschaft sind) geht für 6% mehr Entgelt mit Trillerpfeifen auf die Straße. Wohl wissend, dass es nachher keine 6% geben wird, sondern man sich "irgendwo in der Mitte" treffen wird.
Aber das gehört zum Ritual. Auch dass die Verhandlungen dann in ein sachlicheres Fahrwasser kommen, bis man sich nach etlichen Runden und durchdiskutierten Nächten in den frühen Morgenstunden auf einen Abschluß einigt. Der wird dann von beiden Seiten, je nachdem, entweder als "gerade noch vertretbar" oder "sachlicher Kompromiß mit Augenmaß" verkauft. Dabei waren gerade die Verhandlungsergebnisse in der Metallindustrie und auch in anderen Branchen in den letzten Jahren in der Tat vernünftige Kompromisse, die bewiesen haben, wie sinnvoll und notwendig Flächentarife sind.
Doch warum müssen diese Rituale sein? Glauben die Gewerkschaften - an die muss man diese Frage zuerst adressieren - wirklich, Ihre Mitglieder würden das Spiel nicht durchschauen? Meinen sie, sie könnten ihre Stärke und ihre Wirkungsmacht vor allem an der Zahl der Warnstreiksteilnehmer deutlich machen? Haben sie es nötig ihre Existenz mit möglichst kämpferischen Tarifverhandlungen unter Beweis zu stellen?
Es ist gut, dass es harte Verhandlungen um Arbeitsbedingungen gibt. Und es ist auch gut, dass es ein Streikrecht gibt. Aber was soll der Theaterdonner? Beide Parteien wissen, dass sie sich einigen müssen - und sie wollen es auch. Warum dann nicht gleich mit der sachlich strukturierten Diskussion beginnen? Das muss die unterschiedlichen Ausgangsposition keinesfalls abschleifen. Und es muss auch nicht in zwei Runden erledigt sein. Verbunden mit einer regelmäßigen Kommunikation nach außen, kann damit die Sinnhaftigkeit von Tarifverträgen wieder überzeugender vermittelt werden und nebenbei wird deren manchmal etwas fehlende handwerkliche Qualität auch etwas verbessert.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen