Sonntag, 14. Januar 2018

Das Verschwinden der Hierarchie

Wird der Traum endlich wahr?

Immer wieder lesen wir, Hierarchien werden flacher oder gar im Zeitalter der Arbeit 4.0 kaum mehr eine Rolle spielen. Zunächst muss man festhalten, dass beide Aussagen in dieser allgemeinen Form Utopien sind und bleiben. Jede Organisation braucht ab einer gewissen Größe eine Hierarchie, wie immer diese ausgeprägt sein mag.
Manche Entwicklungen lassen die Frage nach dem Verschwinden der Hierarchie allerdings schon berechtigt erscheinen, freilich anders als die Gurus der digitalen Arbeitswelt sich das vorstellen. Wenn beispielsweise "Taxifahrer" mit ihrem Fahrzeug ihre Dienste über ein Internetportal anbieten oder sogar Piloten sich offensichtlich als "Selbständige" bei einer Fluggesellschaft verdingen (müssen), dann spielt Hierarchie in der Tat kaum mehr eine Rolle. Der Fahrer stellt seine Leistung für einen gewissen Zeitraum zur Verfügung und erhält dafür eine Vergütung. Wenn das aus irgendwelchen Gründen nicht funktioniert oder eine von beiden Parteien nicht mehr will, wird die Zusammenarbeit eben beendet. Der klassische Chef wird dazu nicht mehr gebraucht.
Noch deutlicher wird dies bei den sogenannten Digitalen Nomaden, die sich als Freelancer ihre Arbeitspakete über Internet-Jobbörsen besorgen, um diese irgendwo auf der Welt, unabhängig davon, wo das Ergebnis ihrer Arbeit letztendlich gebraucht wird, abzuarbeiten. Sie holen sich aus dem Netz eine genau definierte Aufgabe und liefern das Ergebnis auch dort wieder ab. Die Sorge für die eigene wirtschaftliche Existenz stellt sicher, dass die Arbeit pünktlich und ordentlich erledigt wird. Der "Arbeitgeber" hat keinerlei Fürsorge mehr für "seinen Arbeitnehmer". Das reduziert seinen organisatorischen und auch hierarchischen Aufwand und damit seine Kosten.
Ein anderes Beispiel aus dieser Kategorie sind Tankstellenpächter. Formal sind sie selbständige Unternehmer, de facto haben die meisten von ihnen kaum unternehmerischen Gestaltungsspielraum. Die ständigen und bei allen Anbietern gleichen Änderungen der Benzinpreise machen das auch für die Kunden augenfällig. Sie sind in ein Netz kleinteiliger Vorgaben eingebunden, die durch detaillierte Messgrößen "überwacht" werden. Wie das Geschäft betrieben wird, gibt die Mineralölgesellschaft präzise vor.
Ist die "Scheinselbständigkeit" der Tankstellenbetreiber schon relativ lange üblich, sind die anderen Beispiele relativ neue Phänomene, die auch durch die Digitalisierung begünstigt werden. Wer will mag darin einen Trend erkennen. Den Trend Arbeitsverhältnisse aus festen Strukturen zu lösen und sie auf den Kern der Leistungserbringung zu reduzieren - eine genau definierte Leistung gegen ein festgelegtes Entgelt ohne sonstige Verpflichtungen.
Oberflächlich betrachtet wird dadurch Hierarchie reduziert. Klassische Hierarchieelemente werden in der Tat nicht mehr gebraucht. Das funktioniert deshalb, weil die Herrschaft über die Aufgabenausführung subtiler, aber um so wirkungsvoller durch digital unterstützte Steuerungssysteme ausgeübt wird. Es gibt also keinen Grund vom Ende der Hierarchie zu träumen. Was danach kommt, wird nicht besser.



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