Das abteilungsübergreifende Netzwerk
Die empirische Sozialforschung kennt das Phänomen der sich selbsterfüllenden Prophezeiung. Gemeint ist damit eine Vorhersage, die ihre Erfüllung selbst bewirkt. Oder anders gesagt, die, die an sie glauben, verhalten sich auch so. Zumindest wenn man die mediale Resonanz, die diese organisatorischen Strukturen finden, als Maßstab nimmt, könnte man meinen, dass es sich damit genauso verhält. In kaum einer Veröffentlichung zu den zukünftigen Entwicklungen der Arbeitswelt fehlt der Hinweis darauf. Hierarchische Strukturen verlieren an Bedeutung oder werden gleich ganz überwunden zugunsten von flexiblen Organisationsformen wie bereichsübergreifenden Netzwerken und Projekten. Das hat wiederum zur Folge, dass auch in den Umfragen zu diesem Thema die Befragten Netzwerke für die bevorzugte Form der Unternehmensorganisation der Zukunft halten. Getreu dem bekannten und bewährten Managementlehrsatz "Wer sich als strategisch denkender Mitarbeiter profilieren will, muss möglichst schnell auf die Bretter springen, die von den sogenannten Managementtheoretikern hingehalten werden." Man gewinnt den Eindruck, dass die dafür Zuständigen mit Hochdruck an der Einführung der neuen Organisationsformen arbeiten.Wenn abteilungsübergreifende Netzwerke wirklich so geeignet wären, die Anforderungen der digitalisierten Arbeit 4.0 zu bewältigen, dann müsste man eigentlich in der Praxis so langsam etwas davon merken.
In der aktuellen Ausgabe der Zeitschrift Organisationsentwicklung wird allerdings eine Trendstudie zitiert, die etwas nüchternere Befunde zeigt. Die Studie hat rund 19.000 Mitarbeiter und Führungskräfte aus 92 Unternehmen befragt, welche Verbreitung neue Arbeitsformen tatsächlich haben. Virtuelle Teams werden nach Aussagen von 81% der Befragten nur gering genutzt. Bei fluiden Teams sind es 71%, die eine geringe Nutzung angeben. Selbst das mittlerweile schon bewährte und länger eingeübte Home Office wird von 75% nur als gering genutzt angegeben. Lediglich flexible Arbeitszeiten werden nur noch von 6% gering genutzt, 72% geben eine mittlere Nutzung an, 21% eine hohe. Selbst das ist eine Zahl, die überrascht. Sind doch flexible Arbeitszeiten, angefangen mit Gleitzeit, schon seit Jahrzehnten "in Betrieb".
So weit her scheint es also nicht mit dem Mut und der Phantasie der zuständigen Praktiker zu sein, mit neuen Formen der Zusammenarbeit zu experimentieren. Sicher werden wir auf dem Weg zur Arbeit 4.0. auch auf dem Feld der Unternehmensorgansation noch gravierende Veränderngen erleben, doch wenn man die obigen Befunde zum Home Office und zu flexiblen Arbeitszeiten sieht, wird das nicht so schnell geschehen, wie es heute geschrieben wird.
Eine Selfullfilling Prophecy ist das abteilungsübergreifende Netzwerk demnach auch nicht. Es ist halt immer noch leichter über etwas zu reden, als etwas auch zu tun.
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