"Früher war sie (gemeint ist die Arbeit) ein funktionaler Teil des Lebens, und die Familie der emotionale. Heute muss Arbeit das Emotionale mitliefern."
"Je leidenschaftlicher man seinen Beruf ausübt, desto unwichtiger werden die Grenzen zwischen Work-Life-Play."
Zwei besonders gelungene Beispiele aus dieser Literaturgattung. Man muss sie sich auf der Zunge zergehen lassen. Gefallen sind diese Zitate auf einer Konferenz der ZEIT mit dem Titel Work & Style.
Versuchen wir einmal zu verstehen, was uns der erste Spruch sagen will. Früher hatte die Arbeit die nur Funktion den Lebensunterhalt zu sichern. Alles was mit Emotionen zu tun hatte, lieferte die Familie. Heute muss auch die Arbeit die Emotion mitliefern.
Hier muss ich gleich wieder an meiner Freunde die Paketauslieferer denken. Die bekommen mit Sicherheit ihre Emotionen geliefert, wenn sie ein Paket in den vierten Stock schleppen müssen und der Adressat ist nicht da.
Erstaunlich ist, dass derartige Naivität auf einer solchen Konferenz Raum und auch noch Beifall findet. Ist denn Arbeit heute etwa kein funktionaler Teil des Lebens mehr? Warum arbeiten denn die meisten Menschen? Weil sie den Bimbes (Pfälzer Begriff ) brauchen. Auch früher hat Arbeit schon Emotion geliefert - positive wie negative. Das Funktionale und des Emotionale müssen sich nicht ausschließen. Das haben sie auch früher nicht getan. Möglicherweise hat ja der Urheber des ersten Zitates negative Erfahrungen mit Familie gemacht. Scheinbar traut er der Familie heute nicht mehr zu "Emotionen zu liefern". Auch wenn heute viele als Singles oder nicht in einer Familie leben, müssen sie deshalb nicht darauf angewiesen sein, nur bei der Arbeit Emotionen zu erleben. Das wäre jedenfalls äußerst bedauerlich.
Die Richtung in die es gehen soll, bringt das zweite Zitat auf den Punkt. Die Grenzen zwischen Arbeits- und Privatleben sollen verschwinden. Bezeichnenderweise unterscheidet er zwischen "Work", "Life" und "Play". Im herkömmlichen Sprachverständnis war "Leben" noch der umfassendere Begriff. Hier steht er zwischen Arbeit und Spiel, also das wäre dann etwa noch der Raum für Familie oder ähnliches. Aber wenn eh alles miteinander vermischt werden soll, ist das egal. Doch was bedeutet diese Vermischung letztendlich: die Dominanz der Arbeit über die anderen Lebensbereiche.
In der Konferenz, aus der diese Zitate stammen, ging es auch um die Attraktivität als Arbeitgeber. Als älterer Zeitgenosse lasse ich mich gerne der Rückwärtsgewandtheit bezichtigen. Doch ich wage zu behaupten, dass die Arbeitgeber langfristig attraktiv bleiben werden, die ihren Beschäftigten Frei-zeit
ermöglichen und eine weitgehend unbehelligte Trennung zwischen Arbeits- und Privatleben. Kein Arbeitnehmer kann auf Dauer mit Leidenschaft arbeiten, wenn er dazu gezwungen wird immer unter Strom zu stehen. Schließlich gibt es auch Emotionen, die kann Arbeit beim besten Willen nicht liefern.
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