Wertschätzung ist ein relatives neues Modewort und gehört in dieselbe Kategorie wie Nachhaltigkeit und Achtsamkeit. So sieht das jedenfalls der Kolumnist Harald Martenstein in der letzten Ausgabe des ZEIT MAGAZINS. Sein kritischer Hinweis ist leider berechtigt. Wertschätzung, wertschätzend, der Gebrauch dieser Begriffe scheint in der Tat zu inflationieren. Und wie das so ist mit Modeworten, sie werden überall dort eingesetzt, wo sie sich vermeintlich gut anhören. Diese Begriffe sind positiv besetzt und man macht sich bei ihrem häufigen Gebrauch dann keine weiteren Gedanken mehr, was sie eigentlich genau bedeuten. Da auch ich immer wieder von wertschätzender Führung spreche, habe ich in den letzten Posts versucht, zu erläutern, was ich darunter verstehe. Ich werde auch weiterhin diesen Begriff nutzen. Denn die Tatsache, dass ein Wort Mode wird, muss ja nicht dazu führen, es nicht mehr zu benutzen.
(Nebenbei: Nehmen sie einmal das Wort Liebe, verkitscht, verballhornt, wie kein anderer Begriff - doch hat das, was damit gemeint ist, nach wie vor unschätzbare Bedeutung im menschlichen Leben.)
Wichtig ist allerdings, dass man das Wort richtig einsetzt und gegebenenfalls erläutert, was man damit meint. Gerade mit der Wertschätzung ist das nicht so einfach. Martenstein schlägt übrigens vor, Wertschätzung durch Freundlichkeit und Höflichkeit zu ersetzen. Ohne Zweifel zwei wichtige Eigenschaften im menchlichen Zusammenleben - auch in Organisationen. Allerdings geht Wertschätzung darüber hinaus. Man schaue nur einmal in die politische Szene. Wie viele Menschen begegnen sich dort äußerlich freundlich und höflich, ob sie sich aber wirklich wertschätzen, kann man in manchen Fällen bezweifeln. Höflichkeit ist ein Teil von Wertschätzung, Freundlichkeit muss es nicht zwingend sein. Das Gegenteil von freundlich muss nicht unfreundlich sein. Da gibt es sicher Abstufungen, die noch nicht unbedingt fehlende Wertschätzung zum Ausdruck bringen.
Martenstein liefert ein schönes Beispiel für missverstandene Wertschätzung mit der Formulierung einer Absage: Vorweg ein ganz großes Kompliment: Ihre Bewerbung und die Art ihrer Bewerbung sind wirklich beeindruckend. Wir fanden das ganz toll. Behalten Sie sich diese Form bei, damit heben Sie sich von der Masse ab......Dann folgt die Absage. Das ist blanker Hohn.
Wertschätzung im Bewerbungsprozeß kann sich darin ausdrücken, dass die Bewerbung sorgfältig geprüft wird und der Bewerber zeitnah und höflich informiert wird. Doch dann wird es schwierig. Eine Absage bleibt eine Absage - und der Bewerber wird sehr wahrscheinlich beim lesen kaum Wertschätzung empfinden. Es wird also immer Situationen geben - nicht nur im Arbeitsalltag - in denen die eine Seite sich durchaus um Wertschätzung bemüht, die Adressaten das aber nicht so empfinden. Wie im letzten Post schon gesagt: Wertschätzung ist nicht nur Lob. Schöne Worte allein machen aber auch noch keine Wertschätzung aus, genauso wie ein angemessenes oder sogar gutes Gehalt. Auch diesem Missverständnis fallen Führungskräfte immer wieder zum Opfer. Was wollen Sie denn, Sie werden doch ordentlich bezahlt.
Also sorgen sie mit dafür, dass Wertschätzung nicht zum Modewort verkommt - versuchen sie wertschätzend zu handeln.
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