Oder: Warum tun sich Manager so schwer über ihre persönlichen Werte zu reden?
Die Frage kam mir anläßlich des gerade zu Ende gegangenen Evangelischen Kirchentages in den Sinn. Im Rahmen der Berichterstattung wurde auch immer wieder Andreas Barner, der Präsident der Veranstaltung, erwähnt. Barner ist im Hauptberuf Vorstandsvorsitzender eines großen Pharmaunternehmens. In Interviews scheut er sich nicht, über seine christliche Grundhaltung zu sprechen und sie auch in Bezug zu seiner Arbeit zu setzen. Damit ist er nach meinem persönlichen und dem mir medial vermittelten Erleben unter deutschen Führungskräften immer noch eine Ausnahme. Selbst beim Small Talk oder in der Kantine werden beispielsweise kaum Äußerungen zum eigenen religiösen (auch Nicht-) Bekenntnis abgegeben.Es sei denn, man weiß, dass man unter Gleichgesinnten ist, dann kommt einem das schon eher über die Lippen. Ich schließe mich hier durchaus nicht aus. In einer weithin säkularisierten Lebenssituation wächst die Scheu zum individuellen - religiös oder nicht-religiös-motivierten - Wertebekenntnis. Man kann dem eine positive Kehrseite abgewinnen: im beruflichen Umfeld habe ich auch keine missfälligen Bemerkungen oder vemeintlichen Scherze über die Religionszugehörigkeit anderer erlebt. In einer positiven Unternehmenskultur sollte das allerdings auch selbstverständlich sein.
Diese individuelle Werteneutralität steht in einem erstaunlichen Gegensatz zu den offiziellen Wertediskussionen, die es in vielen Unternehmen gibt. Wieviel Zeit und Aufwand ist nicht schon in die Formulierung von wohlklingenden Wertekatalogen investiert worden. Diese werden dann auf Hochglanzpapier in schickem Layout gedruckt und Bewerbern im Vorstellungsgespräch in die Hand gedrückt. Wenn man Glück hat, werden sie dann wenigstens von denen einmal gelesen. Fragt man nach einiger Zeit die Beschäftigten nach den Unternehmenswerten, erntet man ein verlegenes Schulterzucken und das Hervorkramen von vielleicht ein bis zwei Werten aus dem Gedächtnis. Schlimmer noch, die Befragten winken resigniert ab oder grinsen nur mehr oder minder abfällig.
Gerade in diesen Diskussionen ist doch eine persönliche Positionierung notwendig. Ein zeitraubendes Ringen um die Formulierung im Wertekatalog ist unnötig, wenn alle Beteiligten - Führungskräfte und Mitarbeiter - ihre persönlichen Werte in ihre Arbeit einbringen können. Und wenn man offen darüber diskutieren kann, wenn man das Gefühl hat, in einer bestimmten Situation hakt es: Hier empfinde ich einen Konflikt zwischen dem, was ich tun muss und meinem persönlichen Werteempfinden. Dann kann sich ein Wertekonsens bilden, der eine wichtige Grundlage für das ist, was gewöhnlich als Unternehmenskultur bezeichnet wird. Von Führungskräften erwarte ich, dass sie ihre persönlichen Werte reflektieren können. Dazu gehört auch die Frage, ob Kosten oder Ergebnis für sie schon Werte darstellen. Dazu gehört auch als Minimalanforderung, die Werte ihrer Mitarbeiter zu respektieren. Und auch auch von diesen die Einhaltung der Werte einzufordern.
Wer unbedingt geschriebene Regeln braucht, der braucht nicht krampfhaft welche zu formulieren: Es gibt etliche bewährte Beispiele: Von den Zehn Geboten über die Goldene Regel bis zu den Kategorischen Imperativen. Das läßt sich genug finden, was auch im Unternehmensalltag tauglich ist.
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