Von einem Vorstandsmitglied eines internationalen Konzerns las ich kürzlich in einem Interview den Satz: "Bei uns ist Wandel Alltag geworden." So oder ähnlich klingt es aus vielen Unternehmen. Wandel oder schicker noch, Change, wird als permanent notwendige Eigenschaft gepriesen.
Ist das so? Und ist es tatsächlich notwendig? Erstens ist nach meiner Erfahrung besonders in großen Unternehmensorganisationen Wandel noch lange nicht Alltag geworden. Zu ausgeprägt sind vielfach noch die Beharrungstendenzen an überkommenen Gewohnheiten und Ritualen festzuhalten. Menschen - auch Führungskräfte tun sich oft schwer mit Change. Gerade auf dem Gebiet der Personalführung wird teilweise krampfhaft an traditionellen Methoden festgehalten. Kürzlich habe ich hier über Forced Ranking Beurteilungssysteme geschrieben. Ein jahrzehntealtes Verfahren, das unter einem neuen Etikett weiter praktiziert wird.
Zweitens suggeriert dieser Satz, dass Wandel immer und automatisch etwas Positives ist und zu einem gegenüber der Gegenwart verbesserten Zustand führt. Ich glaube, jeder von uns kann aus seinem Alltag mühelos genügend Beispiele aufzählen, wo das nicht der Fall ist. Trotzdem werden munter weiter Sprüche über den immerwährenden Wandel geklopft. Auch das Unternehmen des oben zitierten Vorstands beweist mit über viele Jahre am Markt erfolgreichen Marken, dass es durchaus um das Gleichgewicht zwischen Innovation und Bewährtem weiß.
In der Tat ist es der differenzierte und damit auch nachdenkliche Umgang mit Wandel, der ihn erst zu einer Grundlage für Erfolg macht. Gerade weil wir Menschen dazu neigen eher am Bewährten festzuhalten und in unserem Leben auch Elemente der Stabilität und Kontinuität brauchen, kann man Mitarbeiter und Verbraucher mit zuviel Wandel auch überfordern. Der, der so früh wie möglich das neueste Smartphone haben will, tut sich möglicherweise mit einer Änderung seines Arbeitsprozesses schwer.
Woher kommt diese Sehnsucht nach Retro und Vintage? Warum wollen Bürger, dass historische Gebäude orginalgetreu restauriert oder sogar wieder aufgebaut werden? Weil sie Flucht- und Ruhepunkte suchen vor der Komplexität und dem zuviel an Innovation.
Wandel ist notwendig aber nicht Wandel um des Wandels willen oder weil es vielleicht in ist. Und wenn man Wandel propagiert, dann gilt das auch für die eigenen Gewohnheiten und Statusrituale. Es schadet auch nichts, vor dem Start eines Changeprojektes intensiv darüber nachzudenken, was man damit erreichen will. Es tut insbesonndere gut, tiefer nachzudenken, bevor man über Wandel redet.
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