Mittwoch, 6. September 2017

Lehrjahre sind keine Herrenjahre

Aber Azubis auch keine billigen Arbeitskräfte

Der aktuelle DGB-Ausbildungsreport macht auf Defizite in deutschen Ausbildungsbetrieben aufmerksam: viele Überstunden, ausbildungsfremde Tätigkeiten und zu späte Information darüber, ob man nach der Ausbildung übernommen wird. Immerhin 36,2 % der Befragten leisten beispielsweise regelmäßig Überstunden. Mehr als jeder Zweite bekommt keinen Freizeitausgleich dafür.
Aus meiner persönlichen - und natürlich nicht repräsentativen - Erfahrung vermute ich, dass diese Defizite nicht unbedingt in den gut organisierten Lehrwerkstätten und Ausbildungsbereichen von Industriebetrieben vorkommen. Auch wenn dort nicht alles Gold ist, was glänzt, höre ich imer wieder von Kleinbetrieben - oft auch Handwerksbetriebe - dass Azubis als billige Arbeitskräfte eingesetzt werden und der Ausbildungsauftrag etwas großzügig ausgelegt wird.
Das problematische an dieser Situation ist, die Azubis können sich kaum wehren. Sie haben im Betrieb die schwächste Position und wollen nach der Ausbildung meist auch übernomen werden. Das motiviert nicht gerade dazu auf Defizite hinzuweisen, auch wenn es berechtigt wäre. Hinzu kommt, dass in Klein- und Handwerksbetrieben kein Betriebsrat vorhanden ist, der die Interessen der jungen Leute vertreten könnte.
Im Rahmen der Betreuung von Schulabgängern während der Berufsorientierung habe ich immer wieder erlebt wie nachlässig - um es zurückhaltend zu formulieren - gerade Handwerksbetriebe das "Bewerbungsgeschäft" betreiben. Von daher kann ich die Klagen des Handwerks
über Nachwuchsmangel nicht ganz nachvollziehen. Um Bewerber anzusprechen, reicht es eben nicht, schöne Plakate mit kessen Sprüchen zu kleben. In der Verpackung muss auch ein attrakitver Inhalt stecken.

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