Waren sie an Weihnachten wieder einmal in der Kirche? Etwas Christmette muss ja schon sein - gehört einfach dazu. Dann haben sie sicher noch in Erinnerung - wenn sie nicht in Gedanken woanders waren - dass in der Weihnachtsgeschichte die Engel den Hirten erscheinen und ihnen zurufen: "Fürchtet euch nicht!"
Ist ihnen dabei der Gedanke gekommen, dass dieser Ruf auch ihnen gelten könnte? Wahrscheinlich schütteln sie jetzt vor Unverständnis den Kopf. Wovor sollten sie sich fürchten?
Prima, dann gehören sie schon mal nicht zu denen, die sich vor den Folgen des Flüchtlingszustroms fürchten, Nach meinem Eindruck ist das bei vielen, wenn auch unbegründet und diffus, der Fall. Dann verspüren sie bisher auch keine Furcht vor möglichen terroristischen Anschlägen. Ich kenne Leute, die überlegen, ob sie noch gefahrlos eine Kreuzfahrt im Mittelmeer machen können.
Wie sieht es dann im Job aus? Keine Angst, dass sie ihr Budget im nächsten Jahr so einhalten können, wie sie es geplant haben? Sie sind voller Zuversicht, dass sie alle Zielvorgaben für 2016 erreichen? Um ihren Job selbst müssen sie sich erst recht keine Gedanken machen? Sie sind auch sicher, dass es im nächsten Jahr mit der ersehnten Beförderung klappt? Sie fürchten auch nicht, dass sie nicht wieder den geplanten Urlaub verschieben müssen? Das schleichende Gefühl, dass der Druck noch mehr zunehmen könnte, macht ihnen keine Sorgen? Und wie sieht es mit möglichen Veränderungen im Unternehmen aus? Stellt sich bei ihnen keine Beklommenheit ein, wenn sie an den neuen Chef, die unbekannten Kollegen oder den ungewohnten Arbeitsplatz denken?
Die ZEIT führt uns in einem ganzseitigen Artikel unter derselben Überschrift den früheren amerikanischen Präsidenten Roosevelt als Beispiel vor. Der rief seinen Landsleuten bei der Amtseinführung 1933 zu: "Das Einzige, was wir zu fürchten haben, ist die Furcht selbst." Und das in einer verglichen mit unserer heutigen Situation ungleich schwierigeren Lage. Roosevelt, offensichtlich ein Mann voll Optimismus und guter Laune, setzte den New Deal in Gang, der als große Wirtschafts- und Sozialreform in die Geschichte eingegangen ist.
Können wir daraus etwas lernen? Zuerst das, dass wir uns bewußt werden, wovor wir uns möglicherweise fürchten und warum. Es bringt uns nicht weiter und trägt nicht zur Problemlösung bei, vor uns selbst und vor anderen den starken Mann - oder die starke Frau - zu geben und so zu tun als sei alles easy. Dann können wir das, was auf uns zukommt, realistischer einschätzen und mit Optimismus und Zuversicht angehen. Das ist etwas anderes, als immer den Strahlemann zu spielen und Probleme wegzulächeln. Es ist aber auch etwas anderes, als furchtgetrieben zu handeln. Angst ist ein schlechter Ratgeber. Entscheidungen unter Angst sind schlechte Entscheidungen, weil die Phantasie eingeschränkt wird. Optionen geraten aus dem Blick. Wer mit Optimismus und Zuversicht entscheidet, wagt mehr. Er versucht nicht alle Eventualitäten einzubeziehen und alles mit allen abzustimmen. Er hat aber auch den Mut einen Irrtum einzugestehen und es wieder neu zu versuchen. Gerade in Zeiten zunehmender Komplexität ist das eine wohltuende Eigenschaft.
Das ist auch der Kern der Weihnachtsbotschaft, der für uns alle gilt: Fürchtet euch nicht.
In diesem Sinne wünsche ich ihnen einen guten Start ins neue Jahr.
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