Freitag, 20. November 2015

Warum will denn niemand in den Vertrieb?

Jobs im Vertrieb sind unbeliebt. Das geht aus einer Umfrage der Ruhr-Universität Bochum hervor. 67 % der Befragten halten den Vertrieb für unattraktiv und außerdem für schlecht bezahlt. Letzteres ist natürlich ein Irrtum. Gerade im Vertrieb gibt es gute Verdienstmöglichkeiten.
Nach meiner Erfahrung tun sich Ingenieure besonders schwer in den Vertrieb zu gehen.
Schwingt hier noch das alte Bild vom schwätzenden Vertreter mit, der seine Kunden über den Tisch ziehen will? Jeder hat schon mal Vertreter dieser Spezies erlebt, die einem Versicherungen, Haushaltsgeräte oder sonst etwas verkaufen wollen. Auch wenn Versicherungen in Zeiten des Internets kaum mehr an Haustüren verkauft werden, erleben wir doch immer noch besonders aufdringliche Versionen von Vertriebsaktivitäten. Da sind die Anrufe aus Call-Centern mit denen mehr oder minder eloquente Call-Agents versuchen vermeindlich günstige Stromtarife oder Steuersparmodelle mit auswendig gelernten Sprüchen zu verkaufen. Oder die Anrufe ihres Telefonanbieters, der ihnen immer wieder besonders günstige Angebote für ausgewählte treue Kunden macht. Ich kenne kaum jemanden, der diese Art von Ansprache angenehmen findet.
Das alles bildet dann in unseren Köpfen das Image von Vertriebstätigkeit. Besonders Hochschulabsolventen tun sich schwer, sich diesen Jobs zu öffnen. Auch wenn viele Unternehmen, beonders technisch orientierte, sich große Mühe geben ihren Vertrieb als anspruchsvolle Beratungsaufgabe zu verkaufen. In vielen Fällen, bei komplexen Produkten und Dienstleistungen, ist das auch tatsächlich so. Aber auch dort muss verkauft werden. Das Produkt muss gegen mögliche Konkurrenten beim Kunden durchgesetzt werden. Und der Arbeitgeber erwartet, dass der Verkäufer das erfolgreich macht. Er gibt ihm in der Regel eine Sollzahl vor, die er in einem bestimmten Zeitraum verkaufen muss. Wenn er das nicht schafft, bekommt er Probleme. In manchen Vertriebsorganisationen gibt es Hitlisten, die die Verkäufer nach Erfolg aufführen. Es ist nicht besonders angenehm dort im letzten Drittel zu erscheinen.
Andererseits - und das muss man gerade Hochschulabsolventen deutlich machen - sind Vertriebstätigkeiten gute Karrierestartbahnen. Wer das erfolgreich bewältigt hat, hat in der Regel gute Erfolgschanchen. Und letztlich beinhaltet jede Führungsposition, egal in welcher Funktion, Elemente von Verkauf.
Doch wie kann man das Image von Vertriebstätigkeiten verbessern? Ich fürchte, solange es die oben geschilderten Praktiken gibt, wird das nicht ganz leicht. Ums so mehr müssen Unternehmen, die seriös verkaufen, für Transparenz sorgen. Darüber informieren, was bei ihnen Verkauf ausmacht. Dass das auch die Erfüllung von Vorgaben erfordert und nicht nur anspruchsvolle sondern auch zielgerichtete Beratung. Auch in den zahlreichen Berufsinformationsveröffentlichungen findet sich über die Hintergründe und Anforderungen des Verkäuferberufs meist wenig. Gerade sie sind in der Pflicht realistisch zu informieren. Dann hat man vielleicht bessere Chancen, die Persönlichkeiten anzusprechen, die das wollen und suchen. Und die sich dann gerne von den materiellen und sonstigen vielfältigen Reizen der Verkaufstätigkeit belohnen lassen wollen.





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