Immer noch ein Tabuthema
Vor einigen Monaten in einer deutschen Gießerei passiert: ein Mitarbeiter fällt von einem Podest und zieht sich einige Brüche zu. Im Zuge der Ermittlungen zu dem Unfall stellt sich heraus, dass der Mann über 2,5 Promille Alkohol im Blut hatte. Das Unternehmen gibt an, dass der Mitarbeiter den ganzen Tag über seine Arbeit normal verrichtet hat. Das wiederum hat paradoxerweise zur Folge, dass die zuständige Berufsgenossenschaft ihre Leistungen nicht verweigern kann, weil der Beschäftigte angeblich ja nicht durch den Alkohol beeinträchtigt war.Nun fordern die Arbeitsbedingungen in einer Gießerei die Aufnahme größerer Flüssigkeitsmengen geradezu heraus und schon immer wurde dort viel Bier getrunken. Der obige Fall zeigt, dass es diese unheilvolle Tradition nach wie vor gibt. Gießereiarbeit ist auch keine ungefährliche Arbeit und der Sturz vom Podest ist noch die harmlosere Unfallvariante. Es gibt durchaus auch positive Beispiele, in denen es Betriebe geschafft haben, ihren Mitarbeitern zu vermitteln, dass man auch mit alkoholfreien Getränken über die Runden kommt. Es ist aber schwer einzuschätzen, ob das die Ausnahmen sind oder der Betrieb, in dem sich der oben geschilderte Vorfall ereignete. Es ist von einem Unternehmen in meinen Augen eine unglaubliche Fahrlässigkeit einen alkoholbedingten Unfall auf diese Weise zu verharmlosen. Sehr wahrscheinlich hat dieser Mitarbeiter oberflächlich betrachtet seine Arbeit auch noch einigermaßen ordentlich erledigt, weil er bereits in einem Stadium der Alkoholabhängigkeit ist, in dem man erst mit einem gewissen Alkoholspiegel "funktioniert". Wenn jemand soviel trinkt, dass er über 2,5 Promille im Blut hat, muss das auch in seiner Umgebung auffallen. Und sehr wahrscheinlich ist es bei diesem Mitarbeiter auch kein Ausnahmeszustand. Der direkte Vorgesetzte muss auf diesem Auge blind sein. Nach dem Motto "So lange der seine Arbeit macht ist alles o.k." wird das Thema Alkohol nicht angefasst. So ist es leider in vielen Betrieben noch. Und das nicht nur bei Gießereiarbeitern sondern auch im Angestelltenbereich und quer durch alle Hierarchiebenen. Man kann sogar davon ausgehen, dass auf den oberen Etagen noch mehr ge- und verschwiegen wird als weiter unten.
Alkoholabhängigkeit führt zwangsläufigerweise zu einer Verschlechterung der Arbeitsleistung und zwar bei allen, die davon betroffen sind und im weiteren Verlauf auch zu Ausfallzeiten. Beides wirkt sich auf die Kosten aus. Zumindest dieses Argument sollte auch den Betonköpfen einleuchten, die nach wie vor behaupten: In unserem Betrieb gibt es kein Alkoholproblem. Wenn fünf Prozent der Bevölkerung alkoholabhängig sind, trifft das zumindest statistisch auch auf jedes Unternehmen zu. Jede einzelne Führungskraft steht also in der Verantwortung sich damit auseinanderzusetzen - auch was den eigenen Alkoholkonsum angeht.
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