Warum ist es so schwer ein Führungsinstrument zu reformieren?
In einem Beitrag des Newsletters efarbeitsrecht.net geht es um "neue Feedback-Formate". Das klassische Mitarbeitergespräch befinde sich in immer mehr Unternehmen "auf dem Prüfstand". "Man geht zunehmend davon aus, dass dieser Klassiker zu statisch, zu individuell und zu wenig eigenverantwortich gestaltet ist". Es ist allerhöchste Zeit, dass herkömmliche Beurteilungssysteme hinterfragt werden. Man kann vielerlei gegen sie einwenden (was ich an dieser Stelle auch schon mehrfach getan habe), dass man ihnen aber vorwirft sie seien zu individuell dürfte einigermaßen originell sein. Trotz aller Erweiterungsversuche, wie 360 Grad Feedback, muss Beurteilung immer auch individuell sein.
Die Autoren des Beitrags fordern stattdessen - wenig überraschend - dazu auf, mit agileren Methoden zu arbeiten und führen die Unterscheidung zwischen statisch und agil geführten Unternehmen ein. Da es aktuell noch jede Menge erfolgreiche Unternehmen gibt, die "statisch" geführt werden, dürfte es etwas schwierig sein, die mitschwingende Botschaft statisch = rückständig und agil=fortschrittlich überzeugend durchzuhalten.
Wie kann es besser werden? Die Autoren gehen dazu von einer durchaus guten Idee aus, die sie aber durch die krampfhafte Konstruktion eines kuriosen Führungsverständnisses wieder zunichte machen.
Trennung von formalen Urteilen und Feedback
Formale Beurteilungen sind die herkömmlichen Beurteilungssysteme, bei denen auf irgendeine Art "Noten" - in welcher Form auch immer - vergeben und Mitarbeiter in "Leistungsstufen" eingeordnet werden. Formale Beurteilungen sind für die Autoren aber auch "die Nominierung in Förderprogramme" oder aber Beförderungen.
Sie schlagen nun die Trennung von beidenVerfahren vor, was im Sinne eines analytischen Vorgehens durchaus ein richtiger Schritt sein kann. Die Konsequenzen, die sie daraus ziehen, muten allerdings seltsam an.
Beurteilung ist für sie eine Aktion, die von der Führungskraft durchgeführt wird. Feedback dagegen "gehört dem Feedbacknehmer". Das Einholen des Feedbacks liegt in der Verantwortung des Feedbacknehmers. "In einer agilen Welt agieren Führungskräfte aber mehr als Coach oder führen partnerschaftlich. Und hier gilt die Regel, dass diese Führungsrollen ein formales Urteilen nicht zulassen - Coaches don't judge!.....Eine Führungskraft kann nicht Feedback geben und urteilen zugleich."
Erstaunt reibt man sich die Augen und fragt: Was macht dann die Führungskraft? Wann und wie führt sie und wann fungiert sie als Coach? Und wenn sie die Coach-Rolle spielt, fällt dann die klassische Führungsrolle von ihr ab?
Es ist eines der Probleme der sogenannten agilen Organisation (und damit auch einer der Gründe, warum sie nie richtig Tritt fassen wird), dass sie sich nicht mit der Rolle der Führungskraft auseinandersetzt. Sie möchte ohne Hierarchie auskommen, spürt aber, dass es irgendetwas geben muss, was die Leistungserstellung sicher stellt. So wird ein reichhaltiges Sortiment von Prozeduren und Formalismen eingeführt, die nichts anders sind als Instrumente entpersonalisierter Führung.
Feedback gehört zwingend zur Führungsaufgabe, was ja nicht ausschließt, dass es auch von den Beschäftigten eingefordert werden kann und auch soll. Was nicht zwingend dazugehört sind formaliserte Beurteilungsverfahren. Das sind Führungskrücken.
Und: ganz wichtig: In jeder Organisation, wie flach und hierarchiereduziert sie auch daherkommen mag, muss geführt werden, müssen Entscheidungen getroffen werden, für die jemand Verantwortung übernimmt.