Donnerstag, 30. November 2023

Neues aus der Welt des Fachkräftemangels

Arbeitsbedingungen bei einem mobilen Pflegedienst

Der Inhaber eines mobilen Pflegedienstes informiert eine Mitarbeiterin mit Migrationshintergrund falsch über die Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall. Als sie länger erkrankt, aber immer noch in der Entgeltfortzahlung ist, stellt er trotzdem die Entgeltzahlung ein. Auch bei einer Kollegin, die ebenfalls auf Grund nicht perfekter Deutschkenntnisse solche Zusammenhänge nicht sofort versteht, handelt er genauso. Auf mein Anraten hin geht die Mitarbeiterin zu einem Anwalt. Der erreicht kurzfristig die Wiederaufnahme der Entgeltzahlung und stellt außerdem fest, dass der Arbeitgeber die Mitarbeiterin bei der Verrechnung von Mehrarbeit benachteiligt und unzulässigerweise zuviele Urlaubstage angerechnet hat.
Diese Mitarbeiterin sucht nun, wie schon manche Kollegin vor ihr, einen anderen Job. Folge: Bei diesem Pflegedienst bleiben Stellen unbesetzt. Die noch verbliebenen Kolleginnen müssen noch mehr zusätzliche Schichten schieben (und sehen, dass sie dafür ordentlich vergütet werden). Folge: die Fluktuation steigt weiter und mit ihr der Personalbedarf.
Fazit: Auch in der Pflege reicht es keinesfalls aus, eine bessere Bezahlung zu fordern. Elementar sind hier die Arbeitsbedingungen.

Mittwoch, 22. November 2023

Muss man die 35-Stunden-Woche einführen um einen Job attraktiver zu machen?

Oder: warum Herr Weselsky mit seiner Forderung der Diskussion um moderne Arbeitszeitsysteme keinen Gefallen tut.

Um es vorweg zu sagen: jemand wie Weselsky dürfte sehr genau wissen, dass die Forderung nach einer 35-Stunden-Woche für Lokführer bei vollem Lohnausgleich unrealistisch ist. Mit ihr und der zu erwartenden Ablehnung der Bahn dürfte er aber noch einige Zeit einen in seinen Augen guten Grund für Streiks und damit Machtdemonstration haben.
Der sachlichen und unvoreingenommen Diskussion um flexible Arbeitszeitsysteme dürfte er damit allerdings keinen Gefallen tun. Er wird weiter daran arbeiten, dass die Forderung nach Arbeitszeitverkürzung ein Reizthema bleibt, auf das die davon betroffenen Arbeitgeber reflexartig mit entsprechender Ablehnung reagieren werden.
Eines seiner Argumente für die Arbeitszeitverkürzung ist die Verbesserung der Arbeitsbedingungen der Lokführer. Der Beruf müsse attraktiver werden. Damit hat er ohne Zweifel recht. Die Bahn sucht verzweifelt Lokführer. Doch muss man dazu dazu unbedingt die Arbeitszeit verkürzen?
Zunächst würde eine Verkürzung der wöchentlichen Arbeitszeit in der Tat weiteren Personalbedarf bedeuten. Denn anders als in manchen Bürojobs können Lokführer ihre Produktivität nicht erhöhen und in vier Tagen genausoviel arbeiten wie in fünf. Und ob die Verkürzung die Tätigkeit um soviel attraktiver macht, dass plötzlich scharenweise Bewerber strömen, darf man bezweifeln.
Lokführer haben keine geregelten Schichtpläne, sondern wechselnde Einsatzzeiten und wenn sie Fernzüge fahren, sind sie nach Dienstende auch nicht immer am Heimatbahnhof. Kommt der ICE mit dreißig Minuten Verspätung an, hat auch sein Lokführer eine halbe Stunde später Feierabend. Es gehört also einiges mehr dazu, diesen Job interessanter zu machen, als nur die Arbeitszeit zu verkürzen.
Die GDL sollte die Forderung nach Arbeitszeitverkürzung nicht zur Demonstration ihrer Macht missbrauchen, aber auch die Bahn kann der Gewerkschaft den Wind aus den Segeln nehmen, in dem sie die Bereitschaft zu einer differenzierten Diskussion über die Arbeitszeit der Lokführer anbietet.