Mittwoch, 27. September 2017

Prämien steigern nicht die Zufriedenheit

Die Motivation von Geld hält 48 Stunden.

Dieser Satz von Reinhard Sprenger bewahrheitet sich immer wieder. Prof. Bayer von der Universität Bonn hat mit einem Kollegen untersucht, wie der Einkommenszuwachs aussehen muss, damit die persönliche Zufriedenheit erhöht wird. Aus den Ergebnissen einer Langzeitstudie von 1984 bis 2010 konnten sie feststellen, dass mehr Geld nur dann glücklich macht, wenn es dauerhaft steigt. Die Wirkung einer einmalig gezahlten Prämie verpufft schnell. Das Glücksgefühl ließe sich dann steigern, wenn es Monat für Monat mehr gibt. Ein derartiges Entgeltsystem aber dürfte schwer zu realisieren sein.
Damit wird wieder einmal bestätigt, dass eine leistungsabhängige Bezahlung unter Motivationsgesichtspunkten wenig sinnvoll ist. Da leistungsabhängige Entgeltbestandteile sich gewöhnlich auf einem gewissen Niveau einpendeln, verlieren sie ihre Anreizwirkung. Sie werden als selbstverständlich angesehen.
Das sind alles keine neuen oder überraschenden Erkenntnisse. Doch in die betriebliche Realität halten sie nur zäh Einzug.

Sonntag, 24. September 2017

Was bedeutet Agilität in der Personalarbeit?

"HR muss den Mut haben, Systeme und Tools vom (echten) Bedarf und Nutzen der Organisation her aufzubauen. Damit geht einher, dass die Entscheidung wie HR-Systeme und Prozesse zu gestalten sind, sich nicht mehr aus einem von HR moderierten Diskurs zwischen Top-Management und Mitbestimmung ergibt, sondern das verstärkt basisaktiv unter Einbeziehung der Mitarbeitenden gedacht und entwickelt wird (schnelle Umfragen, schnelles Feedback, sofortige transparente Likes und Dislikes). Hierbei stellen die angewendeten IT-Systeme oft keine Hilfe dar, da diese auf die typische Jahressicht ausgerichtet sind. Vielmehr bedarf es moderner Smartphone Applikationen, die den kontinuierlichen Feedbackprozess sowohl zwischen Führungskräften und ihren Mitarbeitenden als auch zwischen Mitarbeitenden unterstützen."
(Zit. nach F.A.Fratschner, HRM Manager, 24.8.)

Herr Fratschner hat seine Gedanken zur Agilität in insgesamt 4 Prinzipien dargelegt. Das hier ist also nur ein kleiner Ausschnitt, aber die Auseinandersetzung damit lohnt sich nicht nur wegen der klangvollen Beraterlyrik.
Warum braucht es Mut dazu "Systeme.....vom echten Bedarf.......der Organisation" her aufzubauen? Das sollte eigentlich selbstverständlich sein. Ich stimme ihm allerdings zu, wenn er damit meint, dass die Personaler zuweilen selbstverliebt mehr oder minder wuchtige Systeme einführen, die eher ihren eigenen Spieltrieb (und manchmal auch ihr Profilierungsdefizit) befriedigen als die Bedürfnisse der Organisation. Der "echte" Bedarf einer Organisation läßt sich allerdings nicht nur durch die "basisaktive" Einbeziehung der Mitarbeiter ermitteln. Selbstverständlich muss hier das Management mitreden und auch die Mitbestimmungsorgane sollten tunlichst beteiligt werden, wenn es sowieso nicht schon gesetzlich oder tarifvertraglich vorgeschrieben ist. Ganz abgesehen davon, darf man den Kunden nicht vergessen, der ja entscheidenden Einfluß auf den Bedarf der Organisation hat.
Aber warum muss bei der Einbeziehung der Mitarbeiter alles so schnell gehen? "Schnelles Feedback, schnelle Umfragen....", als ob man Systeme und Prozesse kurzfristig und abhängig von den Stimmungen der Belegschaft verändern könnte. Agilität ist ja durchaus eine positive Eigenschaft und Systeme und Prozesse müssen auch kritisch hinterfragt werden. Aber etwas Besonnenheit und Überlegung sollte schon auch dazukommen. Agilität ist etwas anderes wie Schnelligkeit. Mitarbeiter erwarten außerdem auch von Prozessen und Systemen Verläßlichkeit und Kontinuität. Man kann die Gestaltung von HR-Instrumenten nicht von kurzfristigen Likes oder Dislikes abhängig machen.


Mittwoch, 6. September 2017

Lehrjahre sind keine Herrenjahre

Aber Azubis auch keine billigen Arbeitskräfte

Der aktuelle DGB-Ausbildungsreport macht auf Defizite in deutschen Ausbildungsbetrieben aufmerksam: viele Überstunden, ausbildungsfremde Tätigkeiten und zu späte Information darüber, ob man nach der Ausbildung übernommen wird. Immerhin 36,2 % der Befragten leisten beispielsweise regelmäßig Überstunden. Mehr als jeder Zweite bekommt keinen Freizeitausgleich dafür.
Aus meiner persönlichen - und natürlich nicht repräsentativen - Erfahrung vermute ich, dass diese Defizite nicht unbedingt in den gut organisierten Lehrwerkstätten und Ausbildungsbereichen von Industriebetrieben vorkommen. Auch wenn dort nicht alles Gold ist, was glänzt, höre ich imer wieder von Kleinbetrieben - oft auch Handwerksbetriebe - dass Azubis als billige Arbeitskräfte eingesetzt werden und der Ausbildungsauftrag etwas großzügig ausgelegt wird.
Das problematische an dieser Situation ist, die Azubis können sich kaum wehren. Sie haben im Betrieb die schwächste Position und wollen nach der Ausbildung meist auch übernomen werden. Das motiviert nicht gerade dazu auf Defizite hinzuweisen, auch wenn es berechtigt wäre. Hinzu kommt, dass in Klein- und Handwerksbetrieben kein Betriebsrat vorhanden ist, der die Interessen der jungen Leute vertreten könnte.
Im Rahmen der Betreuung von Schulabgängern während der Berufsorientierung habe ich immer wieder erlebt wie nachlässig - um es zurückhaltend zu formulieren - gerade Handwerksbetriebe das "Bewerbungsgeschäft" betreiben. Von daher kann ich die Klagen des Handwerks
über Nachwuchsmangel nicht ganz nachvollziehen. Um Bewerber anzusprechen, reicht es eben nicht, schöne Plakate mit kessen Sprüchen zu kleben. In der Verpackung muss auch ein attrakitver Inhalt stecken.

Freitag, 1. September 2017

"Prozesse und Tools an den Bedürfnissen von Mitarbeitenden ausrichten anstatt der Ausrichtung von Mitarbeitenden entlang der Vorgaben von Prozessen und Tools."

Geht das wirklich?

Es ist nicht überraschend, dass der Satz von einem Berater stammt ( F.A. Fratschmer, zit. nach HRM Manager, 24.8.). Er gehört zu einer mittlerweile leider gefestigten Management-Ideologie, die ihren Gläubigen immer noch weis machen will, dass "der Mensch im Mittelpunkt steht". Dabei hat das noch nie gestimmt.
Das Ziel eines Unternehmens ist in der Regel Gewinn zu erzielen. Dies tut es mit der Erzeugung von Produkten oder Dienstleistungen. Dazu werden Menschen gebraucht, die bestimmte Aufgaben erfüllen müssen. Diese sind im optimalen Fall so gestellt, dass sie der Gewinnzielerreichung dienen. Unter anderem müssen dazu allerdings auch die Bedürfnisse der Kunden berücksichtigt werden. Wenn die Beschäftigten Glück haben, kommen dann so allmählich ihre Bedürfnisse in den Blick. Die Nagelprobe, wie es wirklich damit aussieht, kann man im Falle von Kostensenkungsprogrammen machen. Wer steht dann meist im Mittelpunkt? Genau, der Mitarbeiter, der Geld kostet und den man eventuell einsparen kann.
Weniger negatives Beispiel: Stellen sie sich vor, sie kommen in ein Krankenhaus, dessen Prozesse und Tools entlang den Bedürfnissen seiner Mitarbeiter ausgerichtet sind und dann erst nach ihren als Patient. Da würde ihnen vielleicht doch etwas mulmig.
Wenn der Spruch einigermaßen Realitätsgehalt hätte, dürfte es eigentlich auch keine Schichtbetriebe geben.
Es ist in unserer Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung legitim und normal, dass Unternehmen Gewinne erzielen können und auch sollen. Die Menschen, die zu diesem Zweck beschäftigt werden, müssen sich in die Organisation einordnen - und nicht umgekehrt. Diesen Sachverhalt sollte man ehrlich und unvoreingenommen darstellen. Dann kann man den Mitarbeitern auch besser erklären, welche ihrer Bedürfnisse man erfüllen kann und welche möglicherweise nicht. Gewinnerzielung und Rücksicht auf die Interessen und Bedürfnisse der Beschäftigten müssen dabei kein Widerspruch sein. Das haben gerade wir in Deutschland mit unserer Mitbestimmungskultur bewiesen. Entscheidend ist, dass mit Wertschätzung geführt wird. Dann haben auch die Beschäftigten kein Problem damit, dass sie sich nach den Vorgaben von Prozessen und Tools richten müssen. Sie werden aber dann ein immer größer werdendes Problem damit haben, wenn sie merken, dass nur noch der Profit zählt.