Montag, 23. Juni 2014

Sind Zielvereinbarungsprämien Korruption?

Korruption bedeutet durch Geld oder andere gleichwertige "Geschenke" ein bestimmtes Vorhaben bei bestimmten Adressaten zu erreichen. Im landläufigen Verständnis wird von Korruption allerdings erst dann gesprochen, wenn diese Zuwendungen offiziell verboten sind. Von daher wird man die obige Frage zunächst empört zurückweisen. Korrumpieren bedeutet im Kern, dass man eine Leistung beispielsweise für Geld erreichen will, weil man glaubt, dass sie sonst nicht zu haben wäre. Wenn Eltern den Kindern Geld dafür in Aussicht stellen, dass sie sich an der Hausarbeit beteiligen, vermuten sie, dass diese das sonst nicht tun würden. Die Kinder wiederum helfen wegen des Geldes und nicht aus der Einsicht heraus, dass Hausarbeit eine Gemeinschaftsaufgabe ist, an der sich alle beteiligen müssen. Der Wert und die daraus entstehende Motivation etwas für die Gemeinschaft zu tun, wird ausgehölt. Die Belohnung wirkt korrumpierend.

Wie verhält es sich mit Prämien? Beschäftigte bekommen normalerweise ein Entgelt, das sie für die erbrachten Leistungen honoriert. Normalerweise ist den Mitarbeitern auch klar, welche Aufgaben sie zu erledigen haben. Der Arbeitgeber geht davon aus, dass sie dies mit Engagement, Pflichtbewußtsein und Verantwortung tun. Mit einem Zielvereinbarungssystem, das mit Prämien gekoppelt ist, versucht er bestimmte Aufgaben zu priorisieren und deren erfolgreiche Bewältigung besonders zu belohnen. Ganz abgesehen davon, dass das in vielen Fällen auch ökonomisch nicht sinnvoll ist - eine Leistung wird doppelt honoriert - , geht er auch davon aus, dass die Mitarbeiter mit ihrem "normalen" Engagement diese Leistung so nicht erbringen würden. Die Mitarbeiter werden dazu verleitet, diese Aufgabe deshalb mit besonderem Einsatz zu erledigen, weil es dafür eine zusätzliche Vergütung gibt. Das ist der korrumpierende Effekt. Die Einstellung: Ich muss etwas tun aus Pflichtbewußtsein, mit Engagement oder auch, weil es mir Freude macht, die intrinsische Motivation wird ausgehölt. Es wird zwar für das Unternehmen etwas möglicherweise Richtiges getan, von den Beschäftigten aber aus den falschen Gründen. Diesen Zusammenhang sollten sich alle die deutlich machen, die immer wieder das hohe Lied der Motivation durch finanzielle Anreize singen. Sie korrumpieren letztendlich die grundsätzliche Bereitschaft der Mitarbeiter ihre Arbeit gut und ordentlich zu erledigen. Identifikation mit der Arbeit oder gar dem Unternehmen läßt sich so nicht erreichen (erkaufen).
Eine Voraussetzung für Zufriedenheit mit und bei der Arbeit bleibt jedoch immer: Das Entgelt muss vom Arbeitnehmer als gerecht empfunden werden. Gerecht im Verhältnis zu seiner Leistung und auch zu seinem Marktwert.

Ich folge mit dieser Argumentation den Gedanken von Michael J. Sandel aus seinem Buch "Was man für Geld nicht kaufen kann" , dort allerdings in anderen Zusammenhängen entwickelt. Die Lektüre empfehle ich gerne.

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