Montag, 14. Oktober 2013

Revolutionäre Managementlehren

"Management mit Mitgefühl setzt sich (endlich) durch" lautete in der vergangenen Woche eine Überschrift eines Artikels in www.harvardbusinessmanager.de.. Im Einführungsabschnitt wurde deutlich gemacht, worum es geht: "Wer seine Mitarbeiter ernst nimmt und versteht, holt mehr Leistung aus ihnen heraus." Man beachte vor allem den letzten Teil des Satzes: "....holt mehr Leistung aus ihnen heraus." Freudig wurde verkündet, dass diese - wie auch HBM schreibt - altbekannte Erkenntnis, nun endlich Einzug in die Unternehmen hält. Da wird von Businesskonferenzen berichtet, bei denen die Wiederbelebeung der Goldenen Regel "Behandle andere so, wie du von ihnen behandelt werden möchtest." gefordert wird und es wird eine Bewegung "Conscious Capitalism" zitiert, die nicht mehr nur die Interessen der Aktionäre verfolgen will sondern die aller Stakeholder, womit u.a. auch Mitarbeiter gemeint sind. Wie oft habe ich in den letzten Jahren diesen Satz schon gelesen und gehört?
Welches Verständnis von Mitgefühl scheint denn hier durch? Mitgefühl als Instrument zur Leistungssteigerung - um möglichst "viel rauszuholen". Ist den Predigern dieser Pseudolehre bewußt, dass Mitgefühl manchmal genau das Gegenteil bedeuten kann, nämlich auf Leistung zu verzichten oder dem Mitarbeiter zuzugestehen, dass er in bestimmten Phase weniger Leistung bringen kann. Der Mitarbeiterin z.B., deren Mann schwer erkrankt ist und dem sie beistehen will. Oder dem Mtarbeiter, der flexible Arbeitszeit braucht, um seinen alten Vater zu pflegen. Gewiß, die Mitarbeiter, denen der Arbeitgeber in einer solchen Situation entgegengekommen ist, die werden später loyal und engagiert sein. Warum muss denn die Goldene Regel wiederbelebt werden? Was bedeutet deren konsequente Umsetzung in der Führungspraxis? Beispielsweise hätten wir dann sehr wahrscheinlich keine Diskusssion um Mindestlöhne.
Deutlich wird die Philosophie auch in einem anderen Artikel zum selben Zeitpunkt auf derselben Site veröffentlicht: "Produktive Schuld". Da geht es darum, Schuldgefühle bei Mitarbeiten zu verstärken und Schamgefühle zu minimieren. Dadurch könne man Mitarbeiter aufbauen und motivieren. Ganz abgesehen davon, dass der Zusammenhang von Scham- und Schuldgefühlen nicht problematisiert wird, wo bleibt das Mitgefühl, wenn die Führungskraft Schuldgefühle verstärken soll, um Leistung zu steigern?
Aber differenzierte Diskussionen kann man von vielen amerikanischen Managementbeiträgen nicht erwarten. Um so erstaunlicher ist es, mit welcher Aufmerksamkeit diese dünne Suppe in Deutschland immer wieder aufgekocht wird.

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