Mittwoch, 10. Juli 2013

Der verdruckste Umgang mit der Hierarchie

Ich habe mich hier schon mehrfach über den - nicht nur sprachlich - unreflektierten Umgang mit Hierarchie geäußert. Zwei Zitate zur Illustration von einem Vorstandvorsitzenden eines deutschen Konzernunternehmens: Im kreativen Prozeß sei hierarchisches Denken Gift.....Aber später, wenn es um die Umsetzung einer Erfindung gehe, da sei Hierarchie wichtig. Härte, wenn Härte hilft...(ZEIT, Nr. 27, Auffallend unauffällig, S. 32).
Der unvoreingenommer Leser fragt sich erstaunt: Kann man Hierarchie an- und ausschalten, wie eine Lampe? Kann man sich in einem Unternehmen, in dem der Vorstandvorsitzende die Devise ausgibt, Härte, wenn Härte hilft, einen hierarchiefreien, kreativen Prozeß vorstellen? Warum soll denn Hierarchie Kreativität behindern?
Fangen wir mit der letzten Frage an. Wann kann denn Hierarchie Kreativität behindern? Wenn Druck erzeugt wird, sei es durch enge zeitliche oder budgetbezogene Vorgaben. Wenn inhaltlich zu starre Richtlinien vorgegeben werden, wenn "nur in eine Richtung gedacht werden darf". Folglicherweise fordert der o.a. Vorstand dann auch "Die Mitarbeiter müssen spinnen dürfen, sich abseits der Dienstwege bespechen dürfen."
Wobei ich hoffe, dass das Spinnen sich nicht nur auf das Kommunizieren abseits der Dienstwege beschränkt.
Es kommt also darauf an, wie Hierarchie gelebt wird. Eine Organisation ohne Hierarchie ist nicht vorstellbar. Erst recht nicht ein solches Großunternehmen, wie das, aus dem die Zitate stammen. Hierarchie ist also nicht etwas, was per se von Übel ist. Hierarchie ist auch nicht situativ steuerbar. Auch als Vorstand muss man sich bewußt sein, dass es paradox ist, einen hierarchiefreien, kreativen Prozeß verordnen zu wollen, erst recht, wenn man später bei der Umsetzung der Idee wieder Hierarchie einfordert.
Kreativität kann und muss auch in einer Hierarchie möglich sein. Auch das Spinnen auf der grünen Wiese ist ja leider in der Realität nur sehr eingeschränkt möglich. Bei einem anspruchsvollen technischen Produkt, das optimiert werden soll, bewegt man sich oft in sehr engen Rahmenbedingungen. Gerade das erfordert aber hohe Kreativität, um zu einer Lösung zu kommen. Entscheidend ist also wie die Hierachie in der Realität von den Mitarbeitern erlebt wird. Hierarchie ist eben nicht nur ein organisatorisches Prinzip sondern findet auch im Kopf statt.
Wenn man sich also bewußt macht, dass Hierarchie in Organisationen normal und notwendig ist, dann kann man sich auch unvoreingenommen die Frage stellen, wie wollen wir denn die Hierarchie in unserer Organisation gestalten, wie wollen wir sie leben? Das muss man dann auch ehrlich vermitteln und umsetzen und nicht im Innern eine autoritäre, traditionelle Hierarchie praktizieren und nach außen den gleichberechtigten, lockeren Umgang spielen.

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