Donnerstag, 29. November 2012

Lesen Sie?

Dann Vorsicht - Lesen gilt bei Business-Dynamikern als verdächtig. Noch immer wird davon abgeraten, in der Bewerbung unter Hobby Lesen anzugeben. Jemand, der das Hobby Lesen hat, wird als eher zurückgezogen und weniger extrovertiert eingestuft. Die Strebsamen geben wenigstens an, dass sie Fachliteratur lesen. Hand aufs Herz: wie würden sie reagieren, wenn sie in einer Bewerbung unter Hobby lesen würden Lyrik? Lesen scheint im Geschäftsleben nicht so richtig in zu sein. Ich kann mich nicht an Small Talk erinnern, bei dem über Bücher schon gar nicht richtige "Literatur" geplaudert worden wäre. Oder es wird doch gelesen und die Leser trauen sich nicht so richtig sich zu outen. Bei höherrangigen Managern sieht man duchaus mal aktuelle Managementliteratur auf dem Schreibtisch liegen, möglichst dann aber gleich drei Bände auf einmal. Das macht natürlich Eindruck und läßt sofort erkennen, der Boss tut auch noch etwas für seine Bildung. Bei HR-Leuten, insbesondere Personalentwicklern, gehört das anhäufen von Fachliteratur schon fast zum guten professionellen Ton.
Ich habe immer mal wieder jüngere Nachwuchskräfte in Personalgesprächen gefragt, was Sie denn so lesen. Meist habe ich dann Ratlosigkeit gespürt. "Keine Zeit", "Tagsüber komme ich nicht dazu und abends habe ich keine Lust mehr", "Nach Feierabend kann ich keine Buch mehr in die Hand nehmen" Aber Zeit für die Glotze oder den PC ist noch übrig....
Lesen sie, liebe Kolleginnen und Kollegen! Nemen sie ich die Zeit. Und lesen sie nicht nur Fachliteratur sondern auch mal Belletristik. Tun sie sich auch mal etwas anspruchsvolleres an. Das erweitert den Horizont und regt zur Reflexion an. Gerade die Beschäftigung mit einer anderen Thematik trägt zur Entspannung bei und macht den Kopf wieder frei indem sie nicht nur an die Arbeit denken.
Und es hat noch einen positiven Nebeneffekt, gerade für unsere jüngeren Nachwuchskräfte, die zuweilen orthographisch nicht mehr so ganz sattelfest sind. Es fördert die Rechtschreibung und trägt zur Stilbildung bei.
Also lassen sie sich zu Weihnachten ein Buch schenken. Den Text hier haben sie ja immerhin gelesen, dafür
Vielen Dank.

Dienstag, 27. November 2012

Management by Messgröße

Der Leiter einer Entgeltabrechnung wird aufgefordert, seine Kosten mit Benchmarks anderer Firmen zu vergleichen. Der Vorstand will wissen, was kostet bei uns eine Abrechnung und was kostet sie bei anderen. Sind wir zu teuer? Wobei automatisch asoziiert wird, dass höhere Kosten im Vergleich zu anderen auch gleichzeitig "teuer" bedeutet. Der Abrechnungsleiter, der diese Übung nicht zum ersten Mal macht, hat natürlich sofort seine Gegenargumente parat. Aus vergangenen Aktionen weiß er, dass 1:1-Vergleiche kaum realisierbar sind, weil jedes Unternehmen seine Besonderheiten hat. Die Anforderungen, die er erfüllen muß auf Grund von komplizierten Arbeitszeit- und Entgeltregelungen aus unterschiedlichen Tarifverträgen, sind bei anderen Unternehmen möglicherweise so nicht vorhanden. Er sieht die berechtigte Gefahr, dass am Ende zwei oder drei Zahlen auf dem Papier miteinander verglichen werden ohne dass die Besonderheiten und vor allem auch die Leistungen seines Teams angemessen berücksichtigt werden. Was bei Entgeltabrechungen und  vergleichbaren - nicht zu den "Kernkompetenzen eines Unternehmens" zählenden - Einheiten schon seit längerer Zeit Brauch ist, har sich in den letzten Jahren auf nahezu alle Lebensbereiche ausgedehnt. Ob Hotelbesuch, Urlaubsbuchung oder Reifenwechsel, postwendend erhält man am Ende einen Fragebogen und wird gebeten die erbrachte Leistung zu bewerten. Der Fragebogen ist natürlich standardisiert und gibt oft meine individuellen Erwartungen gar nicht treffsicher wieder. Am Ende werden daraus Kennziffern - Key-Figures - destilliert, die schlimmstenfalls noch als Werte für die Zielerreichung der jeweiligen Mitarbeiter herhalten müssen. Werden solche Zahlen nur innerhalb eines Unternehmens genutzt, kann man wenigstes für eine vegleichbare Datengrundlage sorgen. Problematisch wird es, wenn solche Größen unternehmensübegreifend verglichen werden. Um so mehr, je mehr es sich um eher softe Größen handelt. Es ist durchaus sinnvoll, die Kosten von Entgeltabrechnungen miteinander zu vergleichen aber man muß sich dann auch die Mühe machen und die dahinterstehenden Unternehmen genauer zu betrachten. Diese Information müssen in den benchmark einfließen.
Problematischer als diese "technischen" Gesichtspunkte ist die grundsätzliche Entwicklung. Dieses nahezu bedingungslose Meßbarkeitsstreben bedeutet in der Konsequenz auch bedingungslose Standardisierung und auch eine immer weiter gehende Individualisierung. Die Praxis in Call-Centern ist hier nur ein Beispiel. Die Leistung der Mitarbeiter muß am Ende in einer Handvoll Größen ausdrückbar sein. Die Gesamtpersönlichkeit gerät immer mehr in den Hintergrund. Wohlgemerkt, Standardisierung ist etwas sehr sinnvolles und auch kostensparendes. Ebenso ist es notwendig in einer Organisation Meßgrößen zu haben an denen ich Erfolg oder Mißerfolg messen und vor allem rechtzeitig erkennen kann. Aber der Spielraum für Flexibilität, für die Reaktion auf individuelle Kundenwünsche oder unvorhergesehene Ereignisse darf nicht verloren gehen. Im Gegenteil, die wichtigste Voraussetzung für Erfolg von Unterehmen wird es zukünftig sein, flexibel und schnell auf nicht oder nur bedingt planbare Ereignisse zu reagieren. Dem steht übertriebene Standardisierung und damit Meßbarkeit entgegen.
Einen Vorteil hat Meßbarkeit: sie reduziert bei konsequenter Handhabung persönliche Führung auf ein Mindestmaß. Wenn sich die Leistung eines Mitarbeiters an einigen Kennziffern ablesen läßt, brauche ich nur noch die Entwicklung dieser Werte zu kontrollieren. Bei Abweichung ist dann nur vom Mitarbeiter das Wiederreichen des Zielbandes zu fordern oder ggf. den Prozeß, in dem er tätig ist, zu optimieren. Die Anforderungen an Führungskräfte sind dann nicht mehr so hoch, sie müssen auch nur noch ihre Ziegrößen erfüllen und sind bei Bedarf leichter austauschbar.

Donnerstag, 22. November 2012

Alkohol im Betrieb

Alkohol ist zwar in vieler Munde - geredet wird darüber aber kaum. Insbesondere nicht in Betrieben und jeglichen anderen Organisationen. Alkohol gilt als anerkannteste Droge, was man auch daran erkennt, dass ihr Mißbrauch häufig gedeckt, bemäntelt und heruntergespielt wird. In vielen Unternehmen werden immer noch die Probleme, die manche Mitarbeiter mit Alkohol haben, nicht zur Kenntnis genommen oder verdrängt. Motto: "Bei uns gibt es das nicht." Selbst Betriebsräte, die ja eigentlich die Interessen der Belegschaft vertreten sollen, tun sich zuweilen schwer über eine Betriebsvereinbarung zu verhandeln, die regelt, dass kein Alkohol mehr verkauft werden soll. Ganz besonders in bayrischen Regionen tritt dieses Phänomen ausgeprägt auf. Bier gilt dort als Nahrungsmittel.
Auch wenn es dazu unterschiedliche Zahlenangaben gibt: der Anteil von Alkoholsüchtigen unter Erwachsenen
wird mit 5-10% angegeben. Da ein Industriebetrieb ein Ausschnitt der gesellschaftlichen Realität ist, müssen diese Werte auch für Betriebe, Behörden oder etwa auch Krankenhäuser gelten. Vor allem größere Organisationen tragen dem auch Rechnung, indem sie betriebliche Sozialberatungen etabliert haben, die gerade in der Suchtabhängigenbetreuung einen Schwerpunkt haben. Ich selbst habe erlebt, dass ich von Kollegen mitleidig gefragt wurde, ob wir damit Probleme haben, wenn ich davon berichtete, dass wir mit Alkoholismus offensiv umgehen. Selbst Personalleute stecken bei diesem Thema oft den Kopf in den Sand.
Dabei kann es für Unternehmen - und das gilt für jede einzelne Führungskraft - hier nur eine Verhaltensmöglichkeit geben: Das Problem offen anzugehen und nicht unter den Teppisch zu kehren. Besonders die direkten Vorgesetzten müssen sensibel sein und spüren, ob ein Mitarbeiter Auffälligkeiten zeigt. Aber auch die Kollegen sind hier gefordert. Oft sind auch sie es, die den Kollegen nicht in die Pfanne hauen wollen, wenn sie merken, dass er wieder getrunken hat. Zu beachten ist auch: Alkoholprobeme gibt es auf allen Hierarchiestufen, nicht nur in der Fabrik. Ganz oben wird es natürlich besonders heikel. Wer fragt schon den Hauptabteilungsleiter, ob er ein Alkoholproblem hat.
Es ist natürlich für jeden Chef auch eines der schwierigsten Themen. Die Symptome sind selten eindeutig und auch nicht auf Anhieb zu erkennen. Kann man dann schon einen Mitarbeiter ansprechen und ihm möglicherweise bitter Unrecht tun? In jedem Fall muß man sehr sorgfältig damit umgehen. Aber wenn man Leistungsschwächen, Abwesenheiten, Fehler u.s.w. bemerkt und das in gehäuftem Umfang, dann wird es Zeit zu reagieren. Dann sollte man auch den Mitarbeiter offen ansprechen, auch wenn der zunächst heftig abwehren wird. Aber er wird wissen, dass er auffällt. In jedem Fall muß man reagieren, wenn jemand alkoholisiert am Arbeitsplatz erscheint. Ihn muß man nach Hause bringen lassen und am nächsten Tag ein Personalgespräch mit ihm führen und ggf. ein individuelles Alkoholverbot erteilen.

Mittwoch, 21. November 2012

Mythos Burn-Out ? II

Kaum ist das Thema Burn-Out und psychische Belastungen in fast aller Munde kommen schon Forderungen und Ideen für die entsprechenden Führungskrücken. Es wird nach Richtlinien gerufen, nach Erweiterungen der gesetzlichen Arbeitschutzregelungen. Wenn man sich so manches andere Thema vorstellt, was Gegenstand von Gesetzen geworden ist, kann man sich ausmalen, was dabei herauskommt, wenn die Vermeidung von psychischen Belastungen auf diese Weise gefördert werden soll. Da wird dann vorgeschrieben, ab welcher Uhrzeit ein Mitarbeiter keine dienstlichen mails mehr zu lesen braucht. Man könnte so auch sicherstellen, dass man nicht mehr im Urlaub ans Handy zu gehen braucht, wenn man die Nummer seines Chefs erkennt. Sinnvoll wäre es überhaupt zu regeln, dass man als Vorgesetzter pro Tag nur eine sehr begrenzte Anzahl von mails an seine Mitarbeitern schreiben darf. Stattdessen wird eine tägliche Mindestzeit persönlicher Kommunikation verordnet. Dann wüßten die Chefs endlich, dass sie mit ihren Leuten reden müßten, sich mit ihnen persönlich beschäftigen müßten.
Ein Gesetz oder auch eine tarifvertragliche Regelung kann auf einem solchen Gebiet nur an den Symptomen herumregeln. Gerade hier kommt es auf die Eigen - Verantwortung der Führungskräfte und auch Mitarbeiter an. Sobald es Richtlinien gibt, fühlen sich viele Führungskräfte und auch Untenehmen insgesamt entlastet. Wir machen das, was im Gesetz steht, heißt es dann - und nicht mehr. Gott sei Dank gibt es auch solche, die mehr machen, gerade auf diesem Gebiet. Aber auch die müssen darauf achten, dass das tatsächliche Führungsverhalten zu dem paßt, was im Gesundheitsprogramm unter "Stress und Entspannung" vermittelt wird.
Aktuelles Erlebnis am Rande: Dieser Tage hörte ich von einem jungen Mann, Student des Maschinenbaus, der regelmäßig neben dem Studium in einem Kaufhaus jobt und sich dann auch noch als Trainer in einem Sportverein engagiert. Ein Verhalten, das in unserer Geselllschaft hoch anerkannt ist. Wir HR-Leute werden diesen Mann später begeistert zum Vorstellungsgespräch einladen.
Wird hier nicht schon das Klima gefördert, in dem später Burn-Outs gedeihen?

Montag, 19. November 2012

Mythos Burn-Out ?

Kaum etwas aus dem Arbeitsleben wird in letzter Zeit so häufig thematisiert wie Burn-Out und damit einhergehend die Zunahme psychischer Erkrankungen. Berechtigterweise, denn die Zuwachsraten dieser Krankheitsfälle sprechen für sich, Burn-Out-Fälle in den Unternehmen treten vermehrt auf. Fraglich ist nur, ob dieser Hype dem Phänomen gut tut. Es gibt zwar etliche Unternehmen, die sich ernsthaft damit auseinandersetzen und Betreuung und präventive Massnahmen anbieten. Andererseits aber kann man den Einndruck haben, dass viele Betriebe abwehren, je mehr darüber geredet wird. "Bei uns gibt es solche Fälle nicht." "Das ist meist privat beeinflußt, da können wir sowieso nichts dran machen." "Je mehr darüber geschrieben wird, desto mehr Mitarbeiter kommen und sagen sie haben ein Burn-Out." Solche Sprüche hört man, meist hinter vorgehaltener Hand, leide auch von HR-Kollegen. In vielen Unternehmen wird der Sachverhalt noch verdrängt, ignoriert und damit auch tabuisiert. Da helfen auch die prominenten Beispiele nicht viel. Gewiss gibt es Menschen, die fühlen sich stark belastet, haben kein Burn-Out, diagnostizieren sich das aber selbst. Andererseits gibt es welche - und das ist die große Gefahr - die hat es schon getroffen oder sie sind kurz davor und versuchen es mit aller Gewalt zu unterdrücken.
Es fehlt in vielen Unternehmen und Organisationen an der Offenheit die Belastungssituation zu thematisieren. Sicher wird in vielen Krankheitsfällen dieser Art die Ursache nicht nur in der persönlichen Arbeitssituation liegen sondern in der gesamten Lebenssituation. Aber: die Arbeit nimmt einen wesentlichen Teil des Lebens ein. Und die Auswirkungen in Form von langen Krankheitszeiten treffen auch die Betriebe.
Die Unternehmen haben noch zu einseitig die Fehlzeitenquote im Blick - mit eine Folge der Key-Figure Manie. Fachleute stellen dem Absentismus den Präsentismus gegenüber. Präsentismus bedeutet, wenn Mitarbeiter zur Arbeit kommen, obwohl sie sich krank fühlen oder krank sind. Dieses Phänomen wird zu wenig beachtet oder gar auf mehr oder weniger subtile Art und Weise erwartet.
Als Führungskraft ist man hier gefordert die Arbeit im eigenen Verantwortungsbereich richtig zu organisieren.
Das wichtigste aber ist die Sensibilität für die Mitarbeiter, zu sehen wie geht es ihnen. Mit ihnen zu reden, zu spüren, ob alles in Ordnung ist. Das  bedeutet nicht, alle Hindernisse aus dem Weg zu räumen oder gar so viel wie möglich selbst zu machen. Das bedeutet auch auf eine Belastungssituation hinzuweisen, sie zu erklären aber auch dann wieder für Entlastung zu sorgen. Vor allem kommen wir wieder auf das Vertrauen. Können die Mitarbeiter kommen und sagen: "Chef, jetzt ist es zuviel. Was können wir machen.?" Trauen sie sich ihre Situation anzusprechen?

Donnerstag, 15. November 2012

Wie fördert man offene Kommunikation.....?

Bei einem Regionaltreffen der CDU stimmt der Generalsekretär die Teilnehmer schon mal ein mit der Aussage, dass es dem Land so gut gehe, sei ganz entscheidend das Verdienst der  - anwesenden - Kanzlerin.
Der ideale Einstieg in eine offene und kritische Diskussion...... Die CDU dient hier wirklich nur als aktuelles Beispiel. Damit soll keinerlei parteipolitische Aussage verbunden sein. Dieses Phänomen gibt es so auch in anderen Parteien und auch Organisationen wie Unternehmen. Da findet jährlich die Versammlung der Leitenden Angestellten statt, über 100 Teilnehmer. Zum Abschluß stellt sich der Vorstand den offenen Fragen der Teilnehmer. Wenn man Glück hat, führt der Vorsitzende ein mit dem launigen Spruch: "Sie brauchen kein Blatt vor den Mund zu nehmen." Zunächst andächtiges Schweigen. Dann meldet sich einer. Was fragt er? Wann es denn endlich mehr reservierte Parkplätze vor der Hauptverwaltung gibt. Aber auch in kleiner dimensionierten Besprechungen erlebt man ähnliches. Nach dem Statement des ranghöchsten anwesenden Hierarchen meldet sich einer der immer vorkommenden Berufsopportunisten und wiederholt wortreich bestätigend die Aussage seines Vorredners, womöglich noch eingeleitet mit "Wir sind doch alle der Meinung...." oder  "Es ist, glaube ich, keiner unter uns, der......"
Je größer der hierarchische Abstand der Teilnehmer ist, desto ausgeprägter ist dieses Phänomen. Und je autoritärer in der Organisation geführt wird, Das Schlimme ist, dass manche Vorstände nach einer solchen Veranstaltung dann tatsächlich glauben, dass die Welt in Ordnung ist und es weiter keine Probleme gibt.
Offene oder sogar kritische Diskussionen lassen sich nicht "veranstalten". Schon gar nicht in Großveranstaltungen. Dazu muß das entsprechende Klima gewachsen sein. Das geht nicht von heute auf morgen. Vor allen Dingen muß es auch gewollt sein - auch vom Vorstand. Darum Kolleginnen und Kollegen fangt damit an. Nickt einfach nicht nur mit dem Kopf. Seid als Chefs offen für Kritik und als Mitarbeiter mutig genug auch mal kritische Fragen zu stellen. Vor allem widersprecht den chronischen Opportunisten. Die haben auch meist kein ausgeprägtes Standing.

Montag, 12. November 2012

Mythos Kommunikation II

Wie weit läßt eine Organisation Kritik zu?

Der Arbeitsdirektor (Mitglied des Vorstandes) war auf einem Exklusivseminar für Top-Entscheider zum Thema "War for Talents". Dort ging es unter anderem auch um zunehmende Probleme bei der Rekrutierung von Azubis. Dieses Thema hatte es ihm wohl besonders angetan, vielleicht weil es selbst mal ganz früher eine Ausbildung absolviert hatte. Jedenfalls konfrontierte er seinen Personalchef bei der nächsten Rücksprache sofort mit seiner Idee und damit auch Vorgabe, ein Personalmarketingkonzept für die Gewinnung von Azubis zu entwickeln. Natürlich zählte dieser ihm sofort alle Massnahmen auf, die bereits auf diesem Feld durchgeführt werden. Aber der Arbeitsdirektor war so beseelt von seiner Idee, dass er nur ungeduldig zuhörte und den Personalmann beschied, dass jetzt mal alles "in einem schlüssigen Konzept rund zu machen". Er schloß das Gespräch mit der Ankündigung, dieses Konzept zu einem der Ziele für das nächste Jahr zu machen. Der Personalleiter gab dieses Ziel an seinen Ausbildungsleiter weiter. Der listete natürlich auch sofort, begleitet von einem vernehmenlichen Stöhnen, seine Aktivitäten auf und wies darauf hin, dass man bisher noch alle Ausbildungsstellen besetzen konnte, eben weil man eine gute Position auf dem Markt habe. Mit der Bemerkung "Dann können sie das Ziel ja leicht erfüllen" beendete der Personalleiter die etwas hartnäckige Diskussion.
Ergebnis: Etwas, was bereits gemacht wird, was zum "Kerngeschäft" eines Ausbildungsleiters gehört, wird nochmal mit einer Prämie extra belohnt. Was hat das Unternehmen davon? Nichts.
Es ist bekannt, dass Vorstände in einer weithin abgeschotteten Welt leben und mit gefilterten - geschönten - Informationen versorgt werden. Auf dem Weg durch die Hierarchie haben sie gelernt, dass es angenehmer ist, von den Mitarbeitern Erfolgsmeldungen zu bekommen und dass es besser ist, Informationen nach oben so weiterzugeben, dass man selbt möglichst gut dabei weg kommt.
Unser Arbeitsdirektor hätte also zumindest zuhören und erst nachfragen sollen. Was machen wir auf diesem Gebiet? Und er hätte akzeptieren müssen, dass bereits vieles gemacht wird. Unser Personalchef hätte den Mut aufbringen müssen zu widersprechen. Er hätte klar machen müssen, dass es aktuell noch keine Probleme gibt und dass man darauf vorbereitet ist. Das Beispiel zeigt, dass zwischen Vorgesetzten und direkt zugeordneten Mitarbeitern ein offenes Klima herrschen muß in dem die kritische Diskussion, das unvoreingenommene Erwägen des Für und Wider möglich sein muß. Aber wie weit nach unten muß diese Möglichkeit der Diskussion gehen? Eine Entscheidung der Unternehmensleitung kann nicht auf jeder nachfolgenden Ebene wieder in Frage gestellt werden. Sie muß vermittelt und erklärt werden aber sie kann nicht basisdemokratisch abgestimmt werden. Der Vorstand muß bei seinen Entscheidungen die Informationen, Meinungen und Beiträge der relevanten nachgeordneten Mitarbeiter einbeziehen, kritisches Abwägen zulassen und dann entscheiden. Die, die an dieser Entscheidung beteiligt waren, müssen sie dann auch nach außen mittragen und dafür sorgen, dass sie umgesetzt wird.
Aus der Perspektive der Mitarbeiter sieht das natürlich anders aus. Sie wollen "mitreden". Gerade bei Veränderungsprojekten wird das überdeutlich. Aber gerade dort ist es am wenigsten möglich, da die Tendenz am Hergebrachten festzuhalten sehr ausgeprägt ist. Es ist in bestimmten Situationen notwendig, dass Entscheidungen "durchgesetzt" werden müssen. Die Mitarbeiter müssen allerdings das Vertrauen haben, dass die Entscheidungen von den "Entscheidungsträgern" nach bestem Wissen und Gewissen getroffen wurden und dass sie die für ihre Arbeit notwendigen Informationen und Erklärungen rechtzeitig dazu bekommen.
Sie müssen darauf vertrauen können, dass ihre Führungskräfte ihre Beiträge und Meinungen miteinbringen.
Kommunikation kann also in einer Unternehmensorganisation - und auch in anderen Organisationen - nicht im Sinne einer gleichberechtigten "Mitentscheidungsdiskussion" mißverstanden werden.