Freitag, 19. Oktober 2012

Mythos hierarchiefreie Organisation II

Wichtig ist, dass man bei diesem Thema sachlich, unvoreingenommen und ehrlich bleibt. Eine Organisation, vor allem, wenn sie größer und komplexer wird, kommt ohne Strukturen, ohne Hierarchie nicht aus. Wie bereits gesagt, muß es ein System differenzierter Verantwortlichkeiten geben. Zur Wahrnehmung dieser Ver-
antwortlichkeiten benötigt man Autorität. Wer hierzulande von Autorität spricht, wird manchmal noch beargwöhnt. Deshalb ist der sachliche und ehrliche Blick notwendig. Ehrlich deshalb, weil es heute auch in Unternehmen als schick gilt - zumindest in denen, die sich für modern halten - so zu tun, als gebe es kaum Hierarchie. Auch die Beraterlyrik versucht immer wieder, aus gutem (akquisitorischen) Grund, den hierarchiefreien Umgang miteinander als den Königsweg in die Wissensgesellschaft der Zukunft zu verkaufen.
Natürlich kann man in einer hierarchiefreien Umgebung sehr wahrscheinlich kreativer arbeiten. Nur, hier fängt die Ehrlichkeit an. Es wird immer Hierarchieen geben. Die Frage, nicht nur der Zukunft, wird sein, wie muß diese Hierarchie gestaltet sein, damit sie mit der sie umgebenden Komplexität fertig wird.
In Organisationen des Bildungssystems, besonders in Schulen, findet man noch bei vielen Führungskräften die Einstellung, dass Führung eine basisdemokratische Veranstaltung sei. Es herrscht zuweilen eine regelrechte Scheu, Autorität auszuüben. Gerade im Bildungssystem wird deutlich, wie eine Mischung aus organisatorisch-strukturellen Defiziten und wenig ausgeprägter Personalentwicklung zu einer Überforderung
des Systems führen kann.
Ein beliebtes, hochaktuelles Phänomen, das immer wieder als Alternative zur Hierarchie angeboten wird, ist das Netzwerk. Unternehmensübergreifend, im Unternehmen bereichsübergreifend soll es einen freien Umgang miteinander ermöglichen, aus dem dann die bahnbrechenden Lösungen für die Zukunft entstehen.
Zunächst ist es so, wie mit allen modernen, vielfach vervielfältigten Begriffen, dass jeder das darunter versteht, was er verstehen will. Bezogen auf eine Alternative zur hierarchieorientierten Organisation weist Prof. Peter Kruse in den "Denkpausen" Nr 2 (Hrsg. MSSG) zu Recht darauf hin, dass zur Bildung eines
Netzwerks eine "tragfähige Identität und von allen getragene Grundwerte" notwendig sind. Etwas, was sich nicht immer so von oben organisieren läßt. Letztendlich ist auch das so verstandene Netzwerk ein Bypass, um die Unzulänglichkeiten der traditionellen Organisationen auszugleichen. Wäre es dann nicht besser, unvor-
eingenommen und ehrlich die bestehende Organisation und Hierarchie zu hinterfragen, um sie zu verändern?
Dazu aber sind souveräne Führungskräfte notwendig, die diese Diskussion zulassen.

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